WLV Überblick.jpg

Das Jahr 2019 war von zahlreichen Katastrophen geprägt. © WLV, die.wildbach

Jahresrückblick

Wildbach- und Lawinenverbauung 2019

Ein Artikel von Andreas Pichler, Kilian Heil, Matthias Heider, Alexander Starsich, BMLRT, Abt. III/4 Wildbach- und Lawinenverbauung und Schutzwaldpolitik | 05.05.2020 - 10:33

Der Jahresbeginn war von enormen Schneemengen bestimmt. Besonders durch die außergewöhnliche Abfolge heftiger Schneefälle in der ersten Januar-Hälfte 2019 wurde vielerorts sogar die höchste Lawinenwarnstufe ausgerufen. Viele Orte waren von der Öffentlichkeit abgeschnitten und nur mehr über den Luftweg erreichbar. Durch eine fast drei Wochen lange Nordstaulage mit starkem Höhenwind konnten sich potenziell zahlreiche große Lawinen bilden. Die umfangreichen Maßnahmen der Wildbachund Lawinenverbauung in den vergangenen Jahren konnten einen Großteil dieser Schneemassen schon im Anbruchgebiet zurückhalten und so die darunterliegenden Siedlungsgebiete und Infrastruktur schützen. Bei Lawinenabgängen zeigten die Verbauungen entlang der Sturzbahn und im Ablagerungsbereich ihre Wirkung und stoppten die Schneemassen größtenteils kurz vor den Siedlungsbereichen. Die noch nie in diesem Umfang beobachteten Gleitschneelawinen und Rutsche in verhältnismäßigen flachen Hanglagen und die damit verbundene Schneedruckproblematik zeigte die Herausforderungen für die kommenden Jahre auf.

Nach einem kalten und niederschlagsreichen Mai setzte in den Alpen auch die rasche und heftige Schneeschmelze ein, die sich vor allem am Inn besonders bemerkbar machte.

Ende Juni traten die ersten lokalen Hochwässer auf, die als extrem eingestuft werden können. Am 21. Juni verursachte eine von Westen nach Osten durchziehende Gewitterfront kurz vor Mitternacht ein schweres Gewitter. In der Gemeinde Naas im Bezirk Weiz wurden innerhalb von ca. 2 Stunden ungefähr 100 mm Niederschlag gemessen. Ein von der Wildbach- und Lawinenverbauung errichteter Geschiebefang wurde durch starken Geschiebetrieb (Murstoß) zur Gänze aufgefüllt und es kam zu großem Schwemmholzeintrag. Größere Schäden an Infrastruktur und Siedlungsraum konnten zum Glück verhindert werden.

SOMMERLICHE STARKNIEDERSCHLÄGE
Eine Woche vor Schulschluss in Salzburg kam es zu katastrophalen Hochwasserabflüssen im Pinzgau. Aufgrund eines lokalen Starkregenereignisses am Abend des 1. Juli nahe Uttendorf wurden nach erster Auswertung der Niederschläge im obersten Einzugsgebiet des Manlitzbaches mehr als 50 L/m2 innerhalb von 25 Minuten aufgezeichnet, was zu verehrenden Folgen am Uttendorferbach führte. Durch den verstärkten Oberflächenwasserabfluss auf den ausgetrockneten Böden wurde eine rasche Abflusskonzentration in den Oberläufen verursacht, wodurch in der Folge verstärkte Feststoffaufnahmen und enorme Wildholzmengen mobilisiert wurden. Nach Erfahrungsberichten eines örtlichen Anrainers war die Sperre beim Manlitzbach mit einem Rückhaltevolumen von rund 50.000 m3 innerhalb von nur 3 Minuten verfüllt. Zum Teil waren Eintiefungen des Baches bis zu 1,5 m und das drei- bis vierfache der sonst anzunehmen Hochwassermengen zu verzeichnen. Die überbordenden Hochwässer rissen eine Brücke weg und wurden bergseits des Straßendammes der Mittersiller Bundesstraße abgelenkt und sind bis zum Ortskern der Gemeinde Uttendorf vorgedrungen.

Vier Wochen später führte in den Morgenstunden des 29. Juli ein starkes Gewitter zu einem Hochwasserereignis in der Gemeinde Rußbach am Paß Gschütt. In der Folge wurde die Landesstraßenbrücke (Neuhauserbrücke), die Verbindungsbrücke zu Abtenau, weggerissen, sodass Rußbach nur mehr über Bad Ischl erreichbar war. Im Schattaubach kam es zu einer Verklausung, wodurch ein Teil des Abflusses über die Bundesstraßenunterführung und die Gemeindestraße bis ins Ortszentrum vordringen konnte. Außerdem kam es zu schweren Schäden durch die Überflutung des Erlebnisbades. In den Zubringern des Randobaches haben sich die Verbauungen (Sortierwerke, Wildholzrechen) bewährt und es konnte Holz und Geschiebe zurückgehalten und somit größere Schäden verhindert werden.

Zur gleichen Zeit kam es im Gosaubachtal in Oberösterreich zu einem katastrophalen Hochwasserereignis. Obwohl der Schwerpunkt des Niederschlagsgebietes vom 29. Juli in der Gemeinde Rußbach lag, wurden ebenso Teile der angrenzenden Gemeinde Strobl, ebenfalls Bezirk Salzburg-Land, beaufschlagt, deren Auswirkung bis Bad Ischl (Bezirk Gmunden, OÖ) spürbar waren. Durch einen sprunghaften Anstieg der Ischler Ache und des Hochwassers im Schöffaubach kam es zu weitreichenden Überschwemmungen. Die intensiven Niederschläge erfassten über die Landesgrenze (Paß Gschütt) hinweg auch das Einzugsgebiet des Gosaubaches im Gemeindegebiet Gosau sowie die Einzugsgebiete im Marktgemeindegebiet Bad Goisern am Hallstättersee. Ausläufer des gegenständlichen Niederschlagsgebietes reichten noch bis an das Sarsteinmassiv heran.

Ende August ereignete sich ein extremer Murgang in der Gemeinde Strengen, Bezirk Landeck. Am Abend des 31. August kam es zu einem lokalen Niederschlag im Einzugsgebiet des Dawinbaches und es wurden erhebliche Mengen an Geschiebe mobilisiert. Es entwickelte sich in der Folge ein Murgang mit hoher Geschwindigkeit, der bis in den Siedlungsraum vordrang. Teilweise wurden Gesteinsblöcke mit bis zu 30 m3 mittransportiert. Schließlich kam es zur Ablagerung von ca. 5.700 m3 Geschiebe und erheblichen Schäden an Schutzverbauungen, angrenzenden privaten Wohnhäusern und Infrastruktur (Brücke der B 316).

WLV Überblick 2.jpg

Abbildung 1: Anzahl der Ereignisse 2019 nach Gefahrenart © WLV, die.wildbach

STURM- UND NIEDERSCHLAGSEREIGNISSE IM HERBST
Im November führten Extremniederschläge und Sturmereignisse zu großen Schäden an Gebäuden, der Infrastruktur sowie am Schutzwald – vor allem in Salzburg und im Süden des Landes. Zwischen 15. und 17. November 2019 kam es aufgrund mehrerer hintereinander folgender Tiefdruckgebiete aus dem Adriabereich in Österreich zu intensiven Regen- und Schneefällen. Diese Niederschlagsereignisse zogen schwere Murgänge, Hangrutschungen, Lawinenabgänge und Überflutungen in Kärnten, Tirol, Salzburg und der Steiermark nach sich. Allein in Kärnten wurden über 150 Ereignisse verzeichnet, speziell das Obere Mölltal war besonders betroffen. Zuerst waren es Lawinen, welche die Tallagen erreichten, wenige Minuten später Muren aus den gleichen Gräben und abrutschende Hänge zwischen Wildbachgräben. Diese Abfolge führte in vielen Gebieten zu kritischen Verhältnissen, vor allem die Unzahl von abgerutschten Hängen beschäftigte die Einsatzkräfte und die Wildbach- und Lawinenverbauung über Tage hinaus. Die hohe Intensität der Ereignisse zeigt sich unter anderem dadurch, dass ein Todesopfer und mehrere Schwerverletzte zu beklagen sind. Hohe Gebäudeschäden sowie Schäden an kritischer Infrastruktur und Unterbrechungen von Bahn- und Straßenverbindungen, Stromausfällen, Zivilschutzalarmen und Schulsperren führen zu erheblichen negativen ökonomischen und gesellschaftlichen Folgen.

Insgesamt wurden 2019 651 Ereignisse dokumentiert. Davon wurden 400 Lawinenereignisse (61 %), 202 Wasserereignisse (31 %) sowie 22 Steinschlagereignisse (3 %) und 27 Rutschungen (4 %) registriert (siehe Abb. 1).

Die Wildbach- und Lawinenverbauung führte im Jahr 2019 154 Sofortmaßnahmen mit einem Gesamterfordernis von rund 12,4 Mio. € durch, wobei die größten Investitionen in der Steiermark (2,7 Mio. €) und in Tirol (6,2 Mio. €) erforderlich waren.

WLV Überblick 3.jpg

Abbildung 2: Verteilung der Bauausgaben 2019 der Wildbach- und Lawinenverbauung auf die österreichischen Gemeinden © WLV, die.wildbach

INVESTITIONEN UND MASSNAHMEN
2019 wurden vom Forsttechnischen Dienst für Wildbach- und Lawinenverbauung 154,049 Mio. € in insgesamt 825 Baufeldern umgesetzt.Die Gesamtinvestitionen des Bundes für den Bereich Wildbach- und Lawinenverbauung betrugen einschließlich der Planungsleistungen (Gefahrenzonenplanung, Projektierung) 89,21 Mio. €. Der Schwerpunkt der Investitionen lag mit 77 % einmal mehr im Bereich der Wildbachverbauung. Lawinenschutz (8 %), Steinschlagschutz und Rutschungssanierung (7 %) sowie flächen wirtschaftliche Projekte (8 %) waren gegenüber dem Vorjahr anteilig gleichbleibend bis stark steigend.

Der mittlere Bundesbeitrag an den Maßnahmen der Wildbach- und Lawinenverbauung fiel im Vergleich zum Vorjahr marginal und lag bei 54,47 %, ebenso wie der Anteil der Länder mit 19,18 %. Jener der Interessenten (Gemeinden, Wassergenossenschaften, Wasserverbände) stieg geringfügig auf 26,33 %.

WEITERHIN HOHER SCHUTZBEDARF
Das größte aktuell laufende Wildbachverbauungsprojekt ist das generelle Projekt „Saalbach“ (Gemeinde Saalbach-Hinterglemm, Gesamtkosten: 58,0 Mio. €). Weitere große Projekte sind das FWP Kalsertal (Tirol: 17,0 Mio. €), die Leoganger Ache (Salzburg: 15,0 Mio. €), der Furtherbach (Niederösterreich: 14,8 Mio. €) und der Brixenbach (Tirol: 14,0 Mio. €).

Der weiterhin bestehende, hohe Schutzbedarf kommt auch in den Gefahrenzonenplänen der Wildbach- und Lawinenverbauung zum Ausdruck. 1.383 der 2.096 Gemeinden Österreichs verfügen über ministeriell genehmigte Gefahrenzonenpläne gemäß § 11 ForstG. Der Arbeitsschwerpunkt der nächsten Jahre wird nun in der konsequenten Revision und Anpassung der bestehenden Gefahrenzonenplanungen auf den „Stand der Technik“ sowie in der Fertigstellung der Digitalisierung und Publikation der Gefahrenzonen im Internet (z.B. naturgefahren.at) liegen.

Im Jahr 2019 wurden von den Dienststellen der Wildbach- und Lawinenverbauung 148 Projekte mit Gesamtkosten von 206,0 Mio. € erstellt. Das jährliche Projektierungsvolumen liegt damit – nach zwei starken Vorjahren – im Soll und in der Größenordnung der Jahresinvestitionen in Schutzmaßnahmen. 

AKTIONSPROGRAMM SCHUTZWALD
Die Schutzwirkung des Waldes spielt in Österreich, vor allem in den alpinen Gebieten, für die nachhaltige Sicherung des Siedlungs- und Wirtschaftsraums sowie der Verkehrsachsen gegen Naturgefahren wie Lawinen, Steinschlag, Rutschungen und Hochwasser eine zentrale Rolle.

Aufgrund von neuen Herausforderungen wie dem Klimawandel, dem niedrigen Holzpreis sowie gewachsenen gesellschaftlichen Ansprüchen wurde vom BMLRT, in Zusammenarbeit mit anderen renommierten Kooperationspartnern, ein umsetzungsorientiertes Aktionsprogramm Schutzwald initiiert. Es baut auf bisherigen Erkenntnissen auf und gibt starke Antworten für den Schutzwald der nächsten Jahre vor.

Das Aktionsprogramm wurde am 22. Mai 2019 im Ministerrat beschlossen. Es umfasst 10 Leuchtturmprojekte in 4 Zielkorridoren und insgesamt 35 Meilensteine, die entsprechend dem aktuellen Regierungsprogramm bis zum Jahr 2024 vollständig umgesetzt werden sollen.

Sämtliche Informationen zum Thema Schutzwald, die Publikation des Aktionsprogramms und dessen Umsetzungsstand können online unter www.schutzwald.at abgerufen werden.