Den Blattflächenindex LAI lässt sich beispielsweise mithilfe hemisphärischer Fotografien ermitteln. © BFW
Die Belaubung wirkt sich maßgeblich auf die Holzproduktion eines Baumes aus. Denn an ihr erfolgt der Austausch von Wasser, Energie und Gasen (Kohlendioxidaufnahme und Sauerstoffabgabe), mit der umgebenden Atmosphäre, sie ermöglicht somit die Photosynthese.
Beschrieben wird die Belaubung meist durch den sogenannten Blattflächenindex LAI (Leaf Area Index). Er gibt das Verhältnis zwischen Laub- beziehungsweise Nadelfläche und der darunterliegenden Waldfläche an. Erschwert wird die Erfassung der Belaubung, insbesondere in laubabwerfenden Wäldern, durch die starken jahreszeitlichen Schwankungen: Setzt die Belaubung im Frühjahr durch günstige klimatische Bedingungen zeitiger ein, verlängert das die Wachstumsperiode. Der gegenteilige Effekt tritt ein, wenn etwa aufgrund von Trockenheit der Laubabwurf früher einsetzt. Den Blattflächenindex kann man beispielsweise mit hemisphärischen Fotografien messen. Mithilfe einer speziellen Software wird aus so einem Bild die Blattfläche ermittelt. Wie bei vielen anderen Methoden zur Bestimmung des LAI ist es jedoch nur unter hohem Messaufwand realisierbar, dessen Verlauf kontinuierlich abzubilden. Forschende vom Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) und der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) haben sich diesem Problem in einer Studie gewidmet. Die Idee hinter ihrer Untersuchung: Lässt sich eine Messgröße nur schwer bestimmen, muss man sie eben mithilfe von Parametern beschreiben, die leichter messbar sind. Eine große Auswahl davon steht auf den vom BFW betreuten Flächen des europäischen Waldmonitorings zur Verfügung.
Temperaturmaximum als Indikator
In den 1980er-Jahren wurde die ICP Forests (International Cooperative Programme on Assessment and Monitoring of Air Pollution Effects on Forests)-Initiative ins Leben gerufen, um den Einfluss von Luftschadstoffen auf die Wälder Europas zu untersuchen. Die dafür notwendige Datengrundlage stammt unter anderem von aufwendig instrumentierten Intensivbeobachtungsflächen. In Österreich werden heute noch an sechs Standorten 18 verschiedene Bestandesparameter regelmäßig erhoben. Neben chemischen Analysen zu Nadelgehalten, Bodeneigenschaften und dem Baumwachstum zeichnen meteorologische Messstationen auch das Bestandesklima auf. Fokus der unlängst erschienenen Studie ist ein Buchenwald in Klausen-Leopoldsdorf im Zeitraum 2011 bis 2019.
Als Indikator für den Zustand der Belaubung verwendeten die Forschenden die Lufttemperatur, genauer gesagt: die Differenz des Maximums von Freiland und Bestand. Ist die Belaubung gering, kann ähnlich viel Strahlung wie im Freiland durch die Krone hindurchdringen und die Waldluft erwärmen – die Maxima unterscheiden sich nur wenig. Ist die Belaubung stark ausgeprägt, so wie es in den Sommermonaten der Fall ist, sind die Unterschiede dementsprechend größer.
Im mittleren Jahresverlauf dieser Maximadifferenz zeigen sich zwei nahezu konstante Phasen. Zwischen November und April ist die Differenz minimal, da der Bestand in diesem Zeitraum unbelaubt ist. Von Juni bis August ist der Unterschied der Maximatemperaturen am größten, da das Blattwachstum abgeschlossen und die Belaubung somit voll ausgeprägt ist. Zwischen diesen Phasen finden das Blattwachstum und die Entlaubung statt.
Auch phänologische Beobachtungen zur Blattentfaltung und Entlaubung wurden in die Untersuchung miteinbezogen und verglichen. Die Daten dazu stammen aus dem PhenoWatch-Programm der ZAMG, bei dem insbesondere Citizen Scientists dazu aufgefordert sind, Beobachtungen über phänologische Phasen verschiedenster Pflanzenarten zu melden.
Ein Vergleich der PhenoWatch Beobachtungen mit den Temperaturdifferenzen zeigt, dass die Maximadifferenz sehr gut mit den phänologischen Beobachtungen übereinstimmt. Somit ergibt sich, dass die Berechnung des LAI über die Maximadifferenz erstmals eine kontinuierliche Schätzung des Blattflächenindex erlaubt und damit potenziell gut geeignet ist, die Auswirkungen des Klimawandels auf Laubentwicklung und Laubabwurf sowie den Einfluss von Klimaextremen auf den Belaubungszustand festzustellen.
Belaubung und Temperaturdifferenz: Von 21. November (Tag 325) bis 5. April (Tag 95) ist die Differenz minimal, da der Bestand in diesem Zeitraum unbelaubt ist. Von 9. Juni (Tag 160) bis 28. August (Tag 240) ist der Unterschied der Maximatemperaturen am größten, da das Blattwachstum abgeschlossen und die Belaubung voll ausgeprägt ist. © BFW
Hitzeflucht: An heissen Tagen minus 5°C
Im Zuge der Studie wurde auch die Erholungsleistung des Waldes untersucht. An Tagen mit voller Belaubung ist es im Wald um rund 4 – 5°C kälter als außerhalb. Bei einem Freilandmaximum von 30°C werden im Wald im Schnitt also nur zwischen 25 - 26 °C gemessen. Gerade in Zeiten des Klimawandels, durch den Hitzeperioden länger und Hitzetage häufiger werden, hebt dieses Ergebnis einmal mehr den großen Mehrwert des Waldes als Erholungsort hervor.
Webtipps: Webtipps: www.waldmonitoring.at, www.icp-forests.net, www.phenowatch.at
Link zur Studie: https://doi.org/10.3389/ffgc.2021.768085