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Baumschläfer ernähren sich neben Früchten, auch von Samen, Blütenpollen, Insekten und Nüssen. © Kerstin Hinze

Baumschläfer

Seltene Gäste

Ein Artikel von Birgit Rotter, Österreichische Bundesforste | 31.05.2022 - 09:07
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Baumschläfer © Lubomir.Hlasek

Der kleine Nager aus der Familie der Bilche ist ein typisches Element der heimischen Waldfauna. Von seinem größeren Verwandten, dem Siebenschläfer, unterscheidet sich der Baumschläfer durch eine schwarze Augenmaske, die an Film-Banditen aus Kindheitstagen erinnert. Doch trotz seines markanten Äußeren ist er in der Bevölkerung weitgehend unbekannt. Selbst Jägerinnen und Jäger berichten kaum von Sichtungen. Dabei wäre der Ansitz eine der wenigen Gelegenheiten, einem Baumschläfer in seiner Aktivitätszeit zu begegnen.

Das Phantom unserer Wälder
Die Art ist vorwiegend nachtaktiv und bewegt sich bevorzugt kletternd im Geäst fort. Typischer Lebensraum ist die Baum- und Strauchschicht feucht-schattiger Laubmischwälder. Durch seine Lebensraumansprüche kann er als Leitart für naturnahe Wälder mit einem hohen Anteil an unterschiedlichen Biotopstrukturen angesehen werden. Artenreiche Laubmischwälder unterschiedlicher Altersklassen mit ausgeprägtem Unterwuchs fruchttragender Gehölze zählen zu seinen bevorzugten Habitaten. Da sich Baumschläfer nur maximal einmal im Jahr fortpflanzen, treten sie nie in großen Dichten auf.
Obwohl der Baumschläfer europaweit als geschützt gilt, sind Daten zu seiner Verbreitung äußerst rar. Viele der letzten Meldungen sind über 100 Jahre alt, Sichtungen beschränken sich oft auf Zufallsfunde. Durch seine Seltenheit und versteckte Lebensweise ist es aber kein Leichtes, den Baumschläfer in einem Gebiet nachzuweisen.
Das groß angelegte LE-14-20 Förderprojekt „Waldflächen für den Baumschläfer“ zielt nun darauf ab, die Datenlage deutlich zu verbessern. Die Österreichischen Bundesforste (ÖBf) setzen dafür auf Monitoring durch spezielle Nisthilfen. Sollten Sie einen Holznistkasten sehen, dessen Eingangsloch zum Stamm hinzeigt – das ist Absicht. Bilche sind hervorragende Kletterer und nutzen solche künstlichen Baumhöhlen gerne als sicheren Unterschlupf. Finden sie keine Höhle, bauen sie im Geäst frei hängende Nester aus Blättern und Gräsern. 
Da der Bestand des Baumschläfers untrennbar mit dem Lebensraum Wald verbunden ist, soll in Zusammenarbeit von Expertinnen und Experten aus Wildökologie und Forstwirtschaft Informationsmaterial erstellt werden, um das Erkennen eines Baumschläfer-Vorkommens im Wald zu erleichtern. In Folge werden gemeinsam Leitlinien für eine Waldbewirtschaftung entwickelt, die den Lebensraum der Art und ihre Verbreitung gegebenenfalls fördert. 

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Nistkästen für Bilche wie den Baumschläfer haben das Einstiegsloch auf der Rückseite. Als geschickte Kletterer stellt dies für die Tiere kein Hindernis dar, vermindert aber die Besiedelung des Kastens durch Singvögel. © Birgit Rotter

Im Osten ausgestorben?
Das Projekt verfolgt einen Citizen Science-Ansatz, ein Aufruf zur Meldung von Sichtungen wurde gestartet. Interessierte Personen können Baumschläferfunde auf einer eigens eingerichteten Projektwebsite hochladen. Dabei ist jede Art von Nachweis willkommen, ganz gleich ob Sichtungen,
Totfunde oder Nester. Selbst eine Wildkamera lässt sich zum Nachweis von Baumschläfern nutzen. Da die Tiere so flink und klein sind, kann man eine mögliche Verweildauer vor der Kameralinse durch eine „Baumschläfer-Kirrung“ erhöhen: Ein in Nussöl getränktes Baumwolltuch dient dabei als unwiderstehliches Lockmittel. Auf der Projektwebsite www.baumschschlaefer.at findet man selbst eine Anleitung für einen Baumschläfer-Spurentunnel, um Trittsiegel zu sammeln. 
Bis dato kamen sämtliche Meldungen aus dem alpinen Raum. In Oberösterreich, Niederösterreich und dem Burgenland konnte bisher kein Baumschläfer nachgewiesen werden. Das Projekt läuft allerdings noch bis Ende des Jahres, ein wenig Zeit bleibt also noch, um dem scheuen Waldbewohner auf die Spur zu kommen.

Webtipp: www.baumschlaefer.at

 

 

Zum Thema: Bilche
In Österreich sind vier Bilcharten heimisch. Der kleinste unter ihnen ist die Haselmaus, es folgen Baumschläfer, Gartenschläfer und schließlich als größter und bekanntester Vertreter der Siebenschläfer. Typisch für diese zu den Nagetieren zählende Familie ist ein Winterschlaf, den sie zur Fellkugel gerollt in Erdverstecken oder unter der Laubstreu verbringen. Diese lange Pause in ihrer Aktivitätszeit, während der sie geradezu vom Erdboden verschluckt scheinen, hat der Tierfamilie auch den Namen „Schläfer“ eingetragen. Beim Erwachen ab April haben sie oft die Hälfte ihres Körpergewichts verloren.  Nachdem die Bilche ihre Winterverstecke verlassen haben, halten sie sich bevorzugt im dichten Geäst von Bäumen oder Sträuchern auf. Im Dickicht finden die geübten Kletterer Nahrung und Schutz. Ein besonderes Merkmal ihres Verdauungssystems macht Schläfer zu Anzeigern für Artenvielfalt im Wald: Als einzige Nagetiere haben sie keine Endosymbionten im Darm, die ihnen helfen, Zellulose aufzuspalten. Große Mengen an Blättern oder Gräsern können sie deshalb nicht verdauen. So sind der Baumschläfer und seine Verwandten auf eine Vielzahl anderer Nahrungsquellen angewiesen. Blütenpollen, Samen, Früchte, Insekten und Nüsse spielen eine wichtige Rolle in ihrem Speiseplan. Alle unserer Bilche sind eng an das Vorkommen von Gehölzen gebunden.
Den heimischen Schläfern gemeinsam ist ein dicht behaarter Schwanz, der ihnen beim Steuern im Geäst hilft. Durch ihn sind sie auch leicht von Mäusen oder Ratten zu unterscheiden. Einen Vertreter der Kleinsäuger in seiner Aktivitätszeit zu beobachten, ist ohne Hilfsmittel aber nicht einfach. Vorwiegend nachtaktiv entziehen sie sich im Blätterdach unseren Blicken. Ihren Weg über dünne Zweige finden sie mithilfe vieler sensibler Schnurrhaare, die beim Klettern meist nach vorn gestreckt werden. Weiche Sohlenballen helfen ihnen, die nötige Haftung zu bewahren. Die Verständigung zwischen einzelnen Individuen erfolgt unter anderem über hochfrequente Rufe.