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Waldbewertung

Alternative DCF-Verfahren

Ein Artikel von Martin Kubli | 01.02.2024 - 10:31
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Schematische Darstellung des DCF nach ÖNORM B 1802-2:2008 © Forstzeitung

Welches Wertermittlungsverfahren soll angewendet werden? Der Sachverständige ist gemäß LBG 1992 in der Wahl des Wertermittlungsverfahrens frei. Prinzipiell ist jenes Verfahren (Vergleichswert, Sachwert, Ertragswert) heranzuziehen, das den Verkehrswert (Marktwert) am besten abzubilden vermag. 

Discouted-Flahflow (DCF)
Das DCF-Verfahren oder „abgezinster Zahlungsstrom“ ist ein Ertragswertverfahren aus der Unternehmensbewertung, das den aktuellen Wert einer Investition auf Basis erwarteter zukünftiger Cashflows schätzt. In der Waldbewertung in Österreich hat diese vorausschauende Markteinschätzung keine Tradition. Als zukunftsbezogenes, differenziertes Ertragswertverfahren eröffnet das DCF-Verfahren als Zwei-Phasen-Modell die Möglichkeiten, konkret überlegte Ertragsprognosen und Bewertungsannahmen transparent darzustellen.

Zukunftsorientierter Bewertungsansatz
Wir kennen die Vergangenheit, leben in der Gegenwart und versuchen, die nähere und fernere Zukunft einzuschätzen. Forstbetriebliche Entscheidungen müssen mit einer zeitlich überschaubaren Perspektive mit dem Ziel der Langfristigkeit getroffen werden.
Allein die Veränderungen im Wald aufgrund des Klimawandels lassen den Trugschluss zu, dass der Wert des Waldes nicht immer als Momentaufnahme dargestellt werden kann. Der vielerorts notwendige Waldumbau, erhöhte Kalamitätswahrscheinlichkeiten oder auch ein erhöhtes Zuwachspotenzial aufgrund längerer Vegetationsperioden werden Einfluss auf die realisierbaren Erträge in der Zukunft haben. Ebenso lassen sich die Ertragspotenziale neuer Geschäftsfelder (Erneuerbare Energien, Kohlenstoffzertifikatshandel, Vertragsnaturschutz...) betriebswirtschaftlich einordnen.
Je nach gewählter Länge des Detailprognosezeitraumes ist es im DCF-Verfahren möglich, unterschiedliche Szenarien zu modellieren. Ist eine Bewirtschaftungsform „Business as usual“ künftig noch erfolgversprechend oder werden ein sukzessiver Baumartenwechsel, beziehungsweise eine erhöhte Kalamitätswahrscheinlichkeit aktuell erwartbare künftige Reinerträge maßgeblich beeinflussen. 

Diese langfristige dynamische Betrachtung kann beziehungsweise muss auch zu kurzfristigen Entscheidungen in der Waldbewirtschaftung führen. Ist aufgrund von Waldumbau die Notwendigkeit des Abbaus von Nadelholzbeständen gegeben, sind auch höhere Reinerträge in relativ naher Zukunft zu erwarten. Ebenso kann die generelle Absicht, verfügbare Altholzreserven über einen überschaubaren Zeitraum abzubauen und auf diesem Weg früh Kapitalrückflüsse aus der Immobilie zu lukrieren, ein nachvollziehbares Motiv darstellen. Wählt man einen kürzeren Detailprognosezeitraum im DCF-Verfahren (10 bis 20 Jahre), so können kurzfristige Motive eines potenziellen Käufers in die Bewertung miteinfließen.

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Durch die Nutzung verfügbarer Altholzreserven oder Durchforstungsrückstände kann früh Kapital aus der Investition zurückfließen. © Martin Kubli

Anwendungsbereiche
All diese dynamischen Entwicklungen und die daraus resultierenden Erwartungen und Entscheidungen sind erst dann für die Waldbewertung von Bedeutung, wenn sie in irgendeiner Form marktbeeinflussend am Liegenschaftsmarkt wirken. Dabei sind zentrale Fragen des Marktes ins Zentrum zu rücken: 

  • Wie wirken sich die erwarteten Entwicklungen der Zukunft auf mein Investment aus? 
  • Welche Kapitalrückflüsse können im Rahmen einer nachhaltigen Bewirtschaftung getätigt werden? 
  • Wie entwickelt sich mein Investment bei gegebenen oder veränderten Produktionsfaktoren?
  • Spielen Überlegungen bezüglich Wertanlage und Wiederverkauf eine Rolle? 
  • Wie denkt ein Investor und wie begründet er seine Kaufentscheidung? 

Diese Überlegungen beeinflussen mittel- und langfristig Kaufentscheidungen am forstlichen Immobilienmarkt. Dynamische Veränderungen in der Ertragserwartung lassen sich im DCF-Verfahren konkreten Detailprognosezeiträumen zuordnen. Durch diese zeitraumbezogene dynamische Betrachtung fließen Bewertungsparameter quasi gewichtet ein. Damit kann der Waldwert für den Investor (Käufer) in der Gegenwart schlüssig dargestellt und eine Kaufpreisorientierung gegeben werden. Auch lassen sich damit „klassisch“ im Vergleichs- und Sachwertverfahren entwickelte Waldbewertungen argumentativ unterstützen.

Das DCF-Verfahren unterstützt langfristig planende Investoren (Käufer), eine klar strukturierte Vorstellung ihres zukünftigen Cashflows zu erlangen. Das kann unter anderem bei den folgenden Bewertungsanlässen interessant sein: 

  • Kauf: Erwerb von Waldflächen mit einem flächenmäßigen Überhang hiebsreifer (Alt-) Holzbestände.
  • Grundeinlöse, Enteignung: Entschädigung von Außernutzungsstellungen naturnaher Waldökosysteme (Naturschutz).
  • Investitionskalkulationen: Waldkäufe mit Refinanzierungsmöglichkeiten (kurzfristige Gewinne durch vorhandene Holzreserven oder Teilveräußerungen).
  • Finanzinstitute: Ermittlung von Beleihungswerten.

Kritik
Der DCF-Ansatz in der Immobilienbewertung steht aber auch in der Kritik. Die Diskrepanz zwischen dem ursprünglichen Anwendungsfeld (Unternehmensbewertung) und jenem bei sachwertorientierten Liegenschaften ist groß. Insbesondere wird dem DCF-Verfahren durch die vielen Stellschrauben oft eine gewisse Scheingenauigkeit zugeschrieben. Zudem führe das DCF-Verfahren, von Kritikern argumentiert, lediglich zu einem subjektiven Investitionswert, bilde aber keinen Verkehrswert im Sinne der § 2 LBG 1992 ab. 
Der Hauptkritikpunkt am DCF-Verfahren betrifft jedoch alle zukunftsorientierten Verfahren: die generelle Prognoseunsicherheit und die Rolle des Zinssatzes. Es gibt keine Garantie für das Eintreten einer konkreten Prognose und schon die kleinste Veränderung der Zinssätze hat große Auswirkungen auf das Endergebnis.

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Der Klimawandel kann es notwendig machen, „risikobehaftete“ Bestände/Baumarten früher als erwartet abzubauen. © Martin Kubli

Ausblick
Das DCF-Verfahren ist ein dynamisches, ertragsorientiertes Bewertungsverfahren. Für die Bewertung („Schätzung“) forstwirtschaftlicher Liegenschaften eröffnet sich eine überlegenswerte Variante zum „einphasigen“ Ertragswertverfahren. 
Gerade für Waldflächen mit einem hohen Anteil hiebsreifer Bestände oder prognostizierten Veränderungen der Produktionsfaktoren über einen kurzen oder längeren Zeitraum bietet es vielfältige Anwendungsmöglichkeiten. Die Notwendigkeit der nachvollziehbaren Darstellung von zwei Zinssätzen erleichtert eine stabilere Zinssatzfindung. 
Die Akzeptanz einer Waldbewertung wird unausgesprochen viel eher vom Glauben der Marktteilnehmer bezüglich der Zukunft als von ihrem tatsächlichen Eintritt bestimmt. Keiner kann die Zukunft exakt voraussagen, jedoch können Bewertungsmodelle wie das DCF-Verfahren einen hilfreichen Bewertungszugang liefern, die gutachterlich entwickelten Annahmen detailliert und transparent darzustellen.