Schaschl_Wald.jpg

Die Fichten am Nordhang der Südlichen Randalpen sind noch recht vital. In Lücken kommt auch so manches Laubholz auf. © Fam. Schaschl-Mayer

Forstbetrieb des Jahres

Das Lied vom Singerberg

Ein Artikel von Robert Spannlang | 02.01.2025 - 10:15

Zahlen & Daten

  • Wald (120 ha), Landwirtschaft (20 ha)
  • 3 Hofstellen
  • Forstliche Wuchsgebiete: Südliche Randalpen, 450-1300 m;
    Klagenfurter Becken, 420-600 m

Wert – Wirt – wart(en) – Wort. Ein Begriff enthüllt manchmal erst dann seinen umfassenden Sinn, wenn man ihn in seinem Inneren dekliniert. Hat man die uralte, aber schön erhaltene Mletschnighube am Singerberg nach langer Anfahrt von Ferlach hinauf über manchmal steil gewundene Forstwege erreicht, beginnt man zu erahnen, was es bedeutet, wenn etwas in Wert gesetzt, wertgeschätzt und wertvermehrend bewirtschaftet wird. Wie ich von Elisabeth Schaschl – Mutter der Familie, promovierte Forstwirtin, Pädagogin, Dozentin – erfahre, haben hier schon viele Generationen ihrer Vorfahren gelebt und gewirkt, seit sie 1731 den Hof erwarben. Sie alle scheinen nach dem Motto gelebt zu haben: „Arbeit am Hof, in Wald und Flur ist Verantwortung – und sie ist Freude“. Die Existenz hier auf der Schattseite des Rosentales war immer hart. Und doch: Dass Elisabeth Schaschl und Martin
Mayer mit ihren beiden Töchtern Magdalena und Diana heute an diesem besonderen Ort ein gutes und erfülltes Leben führen können, dazu haben alle Generationen davor das Ihre beigetragen, indem sie Potenziale erkannten, diese behutsam ausbauten, zusammenhielten, ihre Nachkommen im täglichen Wirken einbezogen und all ihr Wissen und Können an sie weitergaben.

Auf etwas warten können – und es artgerecht fördern
Das heißt auch, warten können, beobachten und artgerecht fördern – ob Bäume, Feldfrüchte oder Tiere. Über allem steht: extensiv bewirtschaften, begleiten und in eine vorteilhafte Richtung weiterentwickeln. „Wer das beherrscht, wird überrascht sein, wie viel die Natur an Gutem von sich aus hervorbringt – auch ohne viel Arbeitseinsatz. Mit der Natur arbeiten erfordert weniger Kraftanstrengung, aber viel Wissen und Erfahrung“, sagt Elisabeth Schaschl. Anders als ihre Vorfahren führt das Ehepaar den Hof im Nebenerwerb, beide haben einen Vollzeitjob – „da geht das gar nicht anders“, erklärt die Leiterin des Forstreferates der LK Kärnten. So wie ihr Mann kennt sie das Leben auf einem Bergbauernhof von Kind an. Nichts scheint sie aus dem Gleichgewicht oder gar aus der Fassung zu bringen. Auch die Töchter haben diesen Sinn für das Praktische und Machbare, sie kennen die Freuden des Fleißes. Wöchentlich versorgen sie die Familie mit selbstgemachten Backwaren, können umgehen mit Kettensäge und Traktor. „Unlängst hat eines ihrer Pferde auf der Weide das Dach des Futterstandes teilweise heruntergerissen. Als wir nach Hause kamen, war alles wieder solide repariert“, erzählt die Mutter stolz. Sie lobt ihre Töchter gerne, so wie es ihr eigener Vater einst getan hat. „Mein Vater hat meist nicht lang gefragt, sondern einfach auf unsere Mitarbeit gezählt. Aber er hat uns immer und vor allen gelobt.“
Heute ist die Lage an der kühleren Schattseite im Kalk und Dolomit der Karawanken ein großer Vorteil. Am sonnigen Gegenhang habe die Fichte sichtlich ein Problem – Trockenheit im Sommer, Käfer danach und zwischendurch immer wieder Stürme und wieder Käfer, man kennt das. Die Fichten in den Beständen rund um die Mletschnighube mit ihren großzügig angelegten, umzäunten Weiden für Pferde, Ziegen, Damwild, Esel, Ponys, Alpakas, Minischweine und Schottische Hochlandrinder hingegen sehen großteils recht vital aus und profitieren davon, dass der Kronenraum strukturiert und stellenweise aufgelockert ist, Licht bis zum Boden vordringt, sich die Deckschicht aus Laub und Nadeln rasch wieder in Humus umwandeln kann.

Es ist mir für meine Familie und mich wichtig, geerdet zu sein


Elisabeth Schaschl, promovierte Forstwirtin, Pädagogin, Dozentin

Werden und vergehen – und alles wieder von vorn
Vor uns liegt eine große Bergulme mit der Krone voran nach unten. Sie reckt noch ein paar ihrer Wurzeln in die Höhe, der Wurzelanlauf ist dick mit Moos bewachsen. „Ulmen würden sich hier wohlfühlen. Die Böden hier sind feucht, kalk- und nährstoffreich. Sie verjüngen sich recht üppig, aber sie werden leider nicht sehr alt“, sagt Elisabeth Schaschl und zuckt mit den Schultern. Der Ulmensplintkäfer und mit ihm der aus Asien eingeschleppte Pilz finden auch auf 800 m Seehöhe beinahe jede Ulme.
Ein Stück weiter stehen über üppiger Naturverjüngung aus Buche, Fichte und Tanne ein paar ausgetrocknete Fichten. Hier habe eine Sturmnacht vor sechs Jahren einige Hundert Festmeter Holz geworfen – oder die Bäume so stark beschädigt, dass sie eine leichte Beute für Sekundärschädlinge wurden. „So große Mengen arbeiten wir nicht selber auf, da greifen wir auf regionale Unternehmer zurück“, erklärt die Forstwirtin. Angesprochen auf das noch stehende Totholz antwortet sie: „Das ist das beste Bauholz, weil es nach ein paar Jahren ziemlich durchgetrocknet ist, ohne, dass Gefahr davon ausgeht.“
Eine der Errungenschaften ihres Vaters, Richard Schaschl, sei es gewesen, eine Lindner-Horizontalbandsäge am Hof aufzustellen. Sie sei bis heute technisch einwandfrei und habe schon viele Tausend Festmeter Bloche in Schnittholz verwandelt – egal, ob Nadel- oder Laubholz. Aber es wird darauf nichts im Lohnschnitt, sondern nur das eigene Holz produziert – teils für den Verkauf, teils für den Eigenbedarf. „Das Fichtenkäferholz würde am Markt nichts mehr erlösen. Uns aber nutzt es vor allem als Rohstoff für Außenverschalungen, die wir in einem unserer weiteren Höfe in großem Ausmaß gebraucht haben. Die können wir auf unserer Säge in den Dimensionen produzieren, die wir für unsere Bauprojekte benötigen.“
Wald wurde in Tranchen zugekauft. Heute bewirtschaftet die Familie etwa 120 ha Wald. Einer der jüngeren Waldkäufe entpuppte sich als archäologische Sensation und führte zur Unterschutzstellung der Fläche nach dem Denkmalschutzgesetz. Unter dem Wurzelteller einer geworfenen Fichte war eines Tages etwas zum Vorschein gekommen, das wie Mauerreste aussah. Die Fachmeinung eines Experten ergab zur großen Überraschung aller, dass es sich hierbei um Überreste einer Römersiedlung handle. Weitere Ausgrabungen förderten allerlei Tonscherben und Alltagswerkzeuge zutage. Wiewohl die Mauerreste selbst wieder zugeschüttet wurden, um sie nicht der Verwitterung preiszugeben, darf die Familie den Wald – derzeit eine Mischwaldkultur – zwar bewirtschaften, muss aber bei jedem Eingriff in den Boden zusätzliche bürokratische Hürden meistern. „Das beinhaltet zwar gewisse Einschränkungen, offenbart aber gleichzeitig ein hochinteressantes Stück Geschichte der Heimat“, so die Kärntnerin. Viele der darauf stockenden Eichen, Tannen und Lärchen werden daher wohl ihre maximale Lebenszeit ausschöpfen und dann als Habitatbäume allen möglichen Bewohnern des Waldes Unterschlupf bieten, bis sie sich zuletzt der Länge nach hinlegen und wieder mehr Licht auf den Boden fällt, um kleine Sämlinge zum Durchstarten zu ermuntern.

Die vierte Dimension
„Es ist mir für meine Familie und mich wichtig, geerdet zu sein“, sagt Elisabeth Schaschl noch, als sie mir ein drittes Anwesen zeigt, das gerade um ein schönes Massivholzhaus ergänzt wurde. Jede der Töchter – sie besuchen die HTL für Land- und Umwelttechnik in Klagenfurt – soll sich auf ihrem Erbe eine eigene Existenz aufbauen können. „Wir haben investiert, wenn Geld da war und sich eine gute Gelegenheit dafür ergab – nur nicht abheben“, lächelt Elisabeth Schaschl.
Oberhalb der Mletschnighube liegt eine Grabkapelle, in der bereits zwei Generationen ihrer Vorfahren väterlicherseits begraben sind. Die Schaschls stehen zusammen – auch über den Tod hinaus. „Leben – lieben – laben – loben.“ Ein erfülltes Leben am Hof der Familie Schaschl endet mit Dankbarkeit für das Empfangene und für das Erreichte.