Martin Straubinger ist ein Mann klarer Worte. Seit 20 Jahren ist er Wirtschaftsführer in der Gräflichen Foscari Widmann Rezzonico‘schen Forstdirektion in Paternion.
Herr Straubinger, könnten Sie die Situation in Kärnten grob umreißen?
Faktum ist, wir haben in Kärnten zuletzt eine Abfolge von größeren Kalamitäten gehabt. Angefangen von Yves, Vaia, dann kamen ein paar lokale kleinere Ereignisse dazu. Jetzt rollt eine veritable Käfersituation auf uns zu – speziell im Klagenfurter Becken und in den Karawanken. In den Karawanken gibt es ein Käferproblem seit dem Eisregen von 2014. Das war damals die erste großflächige Geschichte, bei der natürlich allerhand Brutmaterial zurückgeblieben ist. Und von dort weg hat sich eine ganz ordentliche Käferpopulation in dieser Region entwickelt.
Wie sieht es mit den Schneebrüchen in Oberkärnten im vergangenen November aus?
Diese Schäden sind bis heute nicht erfasst. Das ist leider eine Tatsache. Dafür gibt es mehrere Gründe: Zum einen sind die Schneebruchschäden vom Flugzeug aus schwer zu erkennen. Zum anderen sind in Oberkärnten alle Forststraßen beschädigt. Und dies in einem Ausmaß, dass sie nicht befahrbar sind. Die Forststraßen sind oft auf eine Länge von Hunderten Laufmetern einfach weg! Und es fragt sich in manchen Fällen, ob die Straßen überhaupt wieder zu reparieren sind.
Das Ganze scheint eine sehr verhängnisvolle Kombination zu sein …
Es ist tatsächlich so, dass in Oberkärnten eine Zeitbombe tickt! Denn es gibt wesentlich mehr Schneebrüche, als derzeit bekannt sind. Auch bei uns in den Gailtaler Alpen ist das nicht anders. Wenn diese Mengen an Schadholz nicht zeitgerecht weggeräumt werden können, dann haben wir in Kürze die gleichen Bilder wie in Deutschland und Tschechien!
Ist es richtig, dass in Kärnten die Nasslagerkapazität erhöht werden soll? Gibt es dafür frisches Geld?
Alles, was uns in unserer Notsituation helfen kann, soll uns recht sein! Wenn bei großen Holzverarbeitern neue Nasslagerkapazitäten eingerichtet werden, ist das in Ordnung. Nur: Derzeit befinden wir uns in Tirol beim Nadelrundholzpreis auf einem Niveau von 65 €/fm frei Straße! Und aus Deutschland hören wir, dass beim jüngsten Schadholz nach Sabine die Verträge bei einem Durchschnittspreis aus allen Sortimenten von 30 €/fm laufen. Eines muss klar sein: Wenn uns draußen im Wald auf der Fläche nicht geholfen wird – aus welchen Gründen auch immer –, dann brauchen wir ohnehin keine Nasslager, denn dann wird das Holz nicht aufgeräumt! Wer soll im schwierigen Seilgelände um 65 € die Schneebruchflächen aufarbeiten können – bei einem Faserholzanteil von 40%? Bei den entsprechenden Abschlägen bei Cx? Da rechnet sich die Aufarbeitung nicht mehr, weil sie nicht mehr kostendeckend durchgeführt werden kann! Nasslager machen also erst dann einen Sinn, wenn es für die Aufarbeitung Förderungen gibt und damit das Holz auch kostendeckend geerntet werden kann! Es gibt größere Waldbesitzer in Oberkärnten, die durch Paula und Vaia bereits Vorschäden gehabt haben. Die haben nicht mehr die Finanzmittel, die Forststraßen zu sanieren. Sie können auch keinen Baum mehr umschneiden, weil es für das Holz keine Abnehmer gibt.
Gäbe es konkrete Hinweise, wo solche neuen Nasslager entstehen könnten?
Nach meinem Wissensstand sind solche Nasslager im Nahbereich größerer Sägewerke angedacht. Aber auch hier stellt sich die Frage nach der Finanzierung. Es ist ja nicht damit getan, dass ein Platz befestigt wird und die Bewässerungsrohrleitungen verlegt werden. Sondern es geht, wie gesagt, auch darum, dass die Seilarbeiten bezahlt werden. Hier reden wir von mindestens 40 €/fm. Und es muss auch der Transport des Holzes vom Waldort bis zum Nasslager bezahlt werden. Hier reden wir von weiteren 10 €/fm. Die Kosten für das eingelagerte Holz belaufen sich also auf mindestens 50 €/fm.
Warum gibt es gerade in Oberkärnten so viele beschädigte Forststraßen? Ist das vielleicht auch die Folge versäumter Instandhaltung?
Die Messstation Obervellach ermittelte im November des Vorjahres in einer Woche 700 mm Niederschlag. Die Werte im Oberen Drautal, im Lesachtal oder bei uns in den Gailtaler Alpen sind ähnlich hoch. Die Schäden haben mehrere Ursachen: Etwa Murgänge, die im freien Gelände abgebrochen sind. Zum Teil in den alten Paula-Windwurfflächen, weil da einfach die Interzeptionswirkung des Waldes noch nicht zum Tragen kommt. Teilweise wurden die Straßen von den Murgängen verschüttet, teilweise auch weggerissen. Teilweise wurden an den Durchlässen durch die großen Wassermengen auch Anrisse unterhalb der Forststraße ausgelöst. Es mag sein, dass der eine oder andere Durchlass nicht ganz optimal positioniert war. Aber solche Schäden werden sich auch in Zukunft nicht immer ganz vermeiden lassen.
Das heißt, bei solchen fundamentalen Ereignissen, wie Murgängen und Starkregen, ist der Wartungszustand der Straße sekundär?
Das ist einfach so! Ich kenne durch Paula freigelegte Straßenzüge in Oberkärnten, die auf eine Länge von 1,5 km an sechs oder sieben Stellen von Muren beschädigt wurden. Und alle diese Muren sind im freien Gelände angerissen. Es kann sein, dass dort oder da durch die Akkumulation der Wassermassen, etwa entlang von „Korkenzieherstraßen”, irgendwann der Damm gebrochen ist. Aber die Schäden in ihrer Gesamtheit haben damit nichts zu tun.
Spielen da nicht auch der Aufbau des Unterbodens und das Grundgestein eine gewisse Rolle?
Natürlich! Gerade bei uns in den Gailtaler Alpen mit ihren oft mächtigen Braunlehmauflagen ist das sicherlich der Fall gewesen. Zudem wurden oft riesige Schottermengen mobilisiert. Möglicherweise hat sich das silikatische Grundgestein im Lesachtal oder im Gebiet der Hohen Tauern noch gravierender ausgewirkt, aber Schäden an den Forststraßen haben wir überall.
Haben Sie mit Kollegen außerhalb Kärntens auch schon gesprochen? Ist woanders die Situation bei den Forststraßen auch so prekär?
Ist sie deshalb nicht, weil die Niederschlagsereignisse im vergangenen November vor allem in den Karawanken, den Gailtaler und den Karnischen Alpen sowie im Oberen Drautal, Oberen Mölltal und in Osttirol stattfanden. Die Niederschläge haben in Salzburg und der Steiermark nicht so gravierende Auswirkungen gehabt wie in Oberkärnten.
Was jetzt in Oberkärnten passiert ist, könnte also auch woanders blühen, wenn dort heftige Niederschläge fallen sollten. Das kann also ein Warnsignal für alle sein?
Selbstverständlich!
Was sollte getan werden, damit die Dringlichkeit der Lage auch den Verantwortlichen außerhalb unserer „Forstblase” bewusst wird?
Die österreichische Holzindustrie ist auf Rundholzimporte angewiesen. Dies ist eine jahrzehntelang bekannte Tatsache. Problematisch sehe ich den unkontrollierten Import von billigstem Käferholz, das oft über Hunderte Kilometer von angrenzenden Nachbarstaaten importiert wird. An diesen Mengen ersticken wir. Diese Importe sind ökologisch infrage zu stellen und diese Mengen ruinieren den gesamten Restholzmarkt in Österreich. Faserholz ist im Seilgelände schon lange nicht mehr kostendeckend zu erzeugen.
Gibt es finanzielle Unterstützung für Mehraufwand bei der Bringung von Käferholz?
Keineswegs! Man wird aber in dieser außergewöhnlichen Situation eine vernünftige Förderstrategie für den Waldbesitz entwickeln müssen. Denn sonst hört sich Waldbewirtschaftung im schwierigen Gelände ganz auf und das kann keiner wollen! Wir haben bei Foscari in drei Jahren 60.000 fm Schadholz aufgearbeitet und dafür nicht einen Cent Förderung bekommen. Da sind auch weit über 2000 Stunden dabei, um Bäume in unbringbaren Lagen zu entrinden und sie damit brutuntauglich zu machen.
Dies scheint aber tatsächlich ein Kärntner Problem zu sein. Denn in anderen Bundesländern gibt es diese Förderungen durchaus.
Genauso ist es! Am großzügigsten fördern die Tiroler. Es gibt auch eine sehr unbürokratische und offene Förderpraxis im Land Salzburg auf Festmeterbasis, ebenso wie in der Steiermark. Aber das ist richtig: Das ist ein kärntenspezifisches Problem! Aber es braucht auch österreichweite Lösungen für dieses Problem! Wie diese genau aussehen, sei dahingestellt. Man könnte die Einheitswerte aussetzen und die Abgaben reduzieren. In Kärnten gibt es vier oder fünf flächenwirtschaftliche Projekte mit insgesamt etwa 8.000 ha und dort gibt es tatsächlich Förderungen. Aber der große Rest kriegt nichts!
Da kamen also in Kärnten die Starkniederschläge, eine fehlende Förderinfrastruktur für Schadholzaufarbeitung und die jüngste Erhöhung der Einheitswerte zusammen!
Und dazu eine noch nicht abschätzbare Vermehrung der Borkenkäfer – der bisherige viel zu warme und trockene Witterungsverlauf auch in Kärnten muss jeden Verantwortlichen wachrütteln. Da droht die nächste, möglicherweise unbeherrschbare Katastrophe. Die erste Generation Borkenkäfer fliegt heuer Mitte Juni aus.
Gerade die Sägewerke in Kärnten und in Tirol sind besonders stark vom Italienexport abhängig, der im Zuge der Coronakrise fast gänzlich zusammengebrochen ist. Deshalb müssen sie auf weiter entfernt liegende Exportmärkte ausweichen und da kommt ihnen ein besonders niedriger Rohstoffpreis natürlich entgegen. Bei der fatalen Überlagerung dieser beiden Krisen scheint also der Waldbesitz das schlechte Ende für sich zu haben. Die Tiroler Forstbetriebe dürften dabei allerdings die bessere Unterstützung vonseiten ihrer Landesregierung haben ...
Richtig! Die Tiroler haben ein eigenes Katastrophenfondsgesetz und da sind sie in der Tat großzügig. Also, denen ist das einfach etwas wert. Genauso den Deutschen: In allen deutschen Bundesländern werden jetzt Zug um Zug große Pakete geschnürt, um diesem Käferwahnsinn etwas entgegensetzen zu können. Dort hat man ebenfalls erkannt, dass man was unternehmen muss. Dieses Verständnis scheint in Kärnten einfach zu fehlen! Es wird hierzulande in den Medien nicht einmal darüber berichtet, geschweige denn, auf politischer Ebene diskutiert. Sogar unsere ureigenste Interessenvertretung schweigt und das ist ein Wahnsinn! Diese ist verstrickt in eigene Unzulänglichkeit, ideenlos, zahnlos, wertlos! Dabei bezahlt unser Betrieb beispielsweise einheitswertbezogene Abgaben und Grundsteuer in Höhe von 40.000 € im Jahr.
Sind Ihre Standesvertreter denn nicht empfänglich für Ihre Anliegen?
Wenn ich mich zurückerinnere an die jüngsten Waldbauerntage in Kärnten, wo auch alle hochrangigen Kammerfunktionäre anwesend waren. Dort zog man mit relativ unfairen Argumenten über die heimische Sägeindustrie her und unterstellte ihnen Bereicherung zulasten des Waldes. Unerwähnt blieb freilich, dass die Kammer dabei nichts unternommen hat, um den betroffenen Waldbesitzern tatsächlich zu helfen! Konfrontiert mit dem Hinweis, dass der Rundholzpreis in Deutschland bereits vor einem Jahr schon bei 60 € und darunter notierte – da haben ja unsere Sägewerke immer noch 70 € und darüber bezahlt –, machten sie nur die Mauer! Nur die Sägeindustrie sei schuld, hieß es – und damit lenkten sie von ihren eigenen Versäumnissen ab!
Sie gelten auch als ein Kritiker der Art und Weise, wie die Mariazeller Erklärung umgesetzt wird …
Zunächst muss man der Mariazeller Erklärung zugutehalten, dass sie alle Akteure – also Vertreter des Ministeriums, der Jägerschaft, der Landesforstdirektionen und der Waldbesitzerorganisationen – an einen Tisch gebracht hat, damit diese das Problem erkennen und entsprechende Lösungsvorschläge ausarbeiten. Das ist an sich schon anzuerkennen! Unser Alt-Landesjägermeister, Ferdinand Gorton, hat sich da auch einmal eine Zeit lang wirklich enorm eingesetzt. Es steht also für alle außer Frage, dass unsere Wälder unter dem Einfluss von zu hohen Wildständen einfach sehr schlecht aufgestellt sind. Jetzt erwartet man halt, dass irgendwann mal etwas umgesetzt wird. Und da geht einfach nichts weiter! Es genügt nicht, am runden Tisch einen Kompromiss zu erzielen, wenn draußen im Wald davon nichts ankommt! Seit Jahrzehnten wird das Forstgesetz mit Füßen getreten, was diese Materie anlangt! Wir haben durch den wildbedingten großflächigen Ausfall von Mischbaumarten vielfach waldverwüstungsähnliche Zustände! Da passiert einfach nichts, obwohl man diese Zustände bis hinauf ins Ministerium kennt!
Es wäre also gut, wenn jetzt wenigstens die Wald-Wild-Frage besser gelöst wäre! Aber das ist wohl wiederum nicht nur ein Kärntner, sondern ein bundesweites Problem.
So ist es!
Damit liegt einiges an Forderungen auf dem Tisch! Vielen Dank für das interessante Gespräch!
Zentrale Forderungen für Kärnten:
+ Aussetzen des Käferholzimportes
+ Aufstockung der Landesmittel zur Beseitigung von Wegeschäden nach den
+ Unwettern im vergangenen Herbst
+ Flächenförderung bei der Aufarbeitung von Schadholz
+ Einhaltung der Bestimmungen des Forstgesetzes zum Schutz des Waldes vor Wildeinfluss