Zu den vielen Funktionen und Aufgaben des Waldes kommt jetzt die Kohlenstoff-Speicherung hinzu. Die leidgeplagten Forstbetriebe stöhnen laut auf, es ist zu hoffen, dass diese Leistung von der Politik den Waldbesitzern nicht unentgeltlich abverlangt wird. In den vergangenen Jahren ist ein Markt für den freiwilligen Handel von Kohlenstoffzertifikaten entstanden, tatsächlich sind die in Aussicht gestellten Einnahmen für den Forstbetrieb interessant und das Geschäft mit dem Kohlenstoff eine Möglichkeit der Diversifizierung.
Bei zertifizierten Kohlenstoffprojekten wird in der Regel nicht vollständig auf die Holzentnahme verzichtet, sondern der Forstbetrieb verpflichtet sich zu einer moderaten Reduktion des Einschlags bei gleichzeitigem bedächtigem Umbau der Bestände in Richtung Klimaresilienz und Biodiversität.
Waldmonitoring für Karbon-Projekte
Die Waldinventur evaluiert periodisch, beispielsweise alle 10 Jahre, den tatsächlichen Zugewinn an Biomasse. Dabei geht es um sehr kleine Vorratsveränderungen, die mit einer traditionellen Taxation definitiv nicht belegt werden können. Folgendes vereinfachtes Rechenbeispiel: Ein Forstbetrieb mit 1.000 ha Waldfläche, einem Vorrat von 350.000 Vfm und einem jährlichen Zuwachs von 10.000 Vfm verpflichtet sich, seinen nachhaltigen Hiebsatz von 10.000 Vfm/Jahr um 10% auf 9.000 Vfm/Jahr zu reduzieren. Der dadurch erzielte Vorratsaufbau beträgt weniger als 0,3% pro Jahr, nach 10 Jahren immer noch weniger als 3%. Dieser Aufbau muss gegenüber der Zertifizierungsstelle nachgewiesen werden.
Die dadurch definierten Anforderungen an eine Waldinventur sind beachtlich. Zur Herleitung des Hiebsatzes begnügt man sich üblicherweise mit einem Vertrauensintervall von +/–5% beim Vorrat. In statistischen Begriffen ausgedrückt: Der ermittelte Vorrat liegt dann mit 95%iger Sicherheit innerhalb von +/–5% des ermittelten Wertes.
Mögliche systematische Mess- oder Rechenfehler sind dabei nicht berücksichtigt. Messfehler können an schlecht kalibrierten Messgeräten liegen oder einer fehlerhaften Bedienung von Messgeräten. Rechenfehler passieren beispielsweise bei der Anwendung von Formzahlen. Der Wechsel von der für Fichte gebräuchlichen Formzahl von 0,43 auf die auch gebräuchliche Formzahl von 0,45 erzeugt einen hypothetischen Vorratszuwachs von 4,6%.
Fazit: Durch das Karbon-Thema ist eine Waldinventur mit sehr hohen Anforderungen hinsichtlich Genauigkeit und Wiederholbarkeit konfrontiert. Zertifizierungsstellen begnügen sich nicht mehr mit traditionellen, ungenauen Inventurmethoden, zu groß ist die Angst, von NGOs der Beihilfe zum Greenwashing bezichtigt zu werden.
Digital Twins aus terrestrischem Laserscanning
LIDAR (Light Detection and Ranging)-Technologie ermöglicht eine Verbesserung der Inventurmethoden in mehrfacher Hinsicht:
- LIDAR-basierte Aufnahmen sind hinsichtlich Zeit und Ort eindeutig definiert und können ohne den Zusatzaufwand einer permanenten Stichprobeninventur wiederholt werden. Mittels der präzisen Baumkoordinaten kann die Wiederholungsaufnahme zentimetergenau auf die Position der ursprünglichen Aufnahme referenziert werden, auch dann, wenn die Satellitennavigation unter dem Kronendach diese Präzision nicht ermöglicht.
- Die bei der Aufnahme erzeugte Punktwolke stellt einen perfekten digitalen Zwilling des Waldbestandes dar. Auch wenn sich die Methoden zur Extraktion von Baumparametern in den kommenden Jahren verbessern und erweitern: Zum Zeitpunkt der Wiederholungsinventur kann man zwei am selben Ort zu unterschiedlichen Zeiten aufgenommenen Punktwolken mit den dann besten verfügbaren Methoden prozessieren. Auf diese Weise kann ein Methodenbruch ausgeschlossen werden. Dies gilt auch für derzeit nur in Ansätzen verfügbare Algorithmen wie beispielsweise Verfahren zur Erkennung von liegendem Totholz. Multitemporale digitale Zwillinge von Erhebungsflächen im Wald sind als Evidenz für eine Veränderung jedenfalls unbestritten die Königsklasse.
- Die Anzahl der erfassten Bäume je Probefläche wird durch den Einsatz terrestrischer Scan-Methoden drastisch erhöht. Im Vergleich zu Winkelzählproben mit Zählfaktor 4 kann man mit der 3- bis 5-fachen Baumzahl rechnen, je nach Dichte des Unterwuchses; dies verringert die Streuung der Messwerte und führt zu statistisch genaueren Ergebnissen.
- Das schwierige Thema der Formzahlen und Baumhöhen gehört der Vergangenheit an. Jeder Baum bekommt seine korrekte Baumhöhe und Formzahl. Aus den vielen Stammdurchmessern, die für jeden einzelnen Baum extrahiert werden können, kann eine baumindividuelle Schaftkurve abgeleitet werden.
Unterschiedliche Scantechnologien haben sich für das Scannen im Bestand bewährt. Die höchste Präzision liefern die Stativ-Scanner von Riegl im niederösterreichischen Horn. Das neue Modell VZ600i ist etwas leichter und leistungsfähiger als das ältere Modell VZ400i. Mit einzelnen Scans auf 10 bis 20 Scanpositionen kann man eine Probefläche detailgenau erfassen, pro Scanaufnahme dauert das weniger als eine Minute.
In schwierigem Gelände und im dichten Unterholz wird der Einsatz dieser Scanner mit dem sperrigen Stativ mitunter zu einer sportlichen Herausforderung. Weitere Stativ-Scanner der Firmen Faro, Leica und Trimble bringen zum Teil weniger Gewicht auf die Waage, sind aber ebenso auf ein sperriges Vermessungsstativ angewiesen. Bei der Qualität der Punktwolke können sie mit den Riegl-Scannern nicht mithalten.
Sehr positiv entwickelt haben sich in den letzten Jahren die getragenen, auf SLAM (Simultaneous Localization and Mapping)-Technologie basierenden Scansysteme. Die Sensoren dieser Scanner sind deutlich kleiner und leichter, sie wurden für selbstfahrende Autos oder Roboter entwickelt. Man scannt beim langsamen Gehen. Den Scanner kann man dazu in der Hand oder auf dem Rucksack montiert tragen. Die Genauigkeit ist geringer als die mit Stativ-Scannern erzielbare, sie hat sich aber in den letzten Jahren bei den Geräten der neuesten Generation laufend verbessert und an den Standard der Stativscanner angenähert. In diese Kategorie fällt der ZEB Horizon von GeoSLAM. Dieses Gerät ist am längsten am Markt und wird von mehreren Forstuniversitäten verwendet. Neuer auf dem Markt ist der handliche und kostengünstige X120go von Stonex, der verwendete Sensor von Hesai misst präziser als der Velodyne-Sensor im ZEB Horizon. Auf der Fachmesse Intergeo wurden einige neue, vielversprechende tragbare Scanner präsentiert, die hinsichtlich ihrer Forsttauglichkeit noch getestet werden müssen.
Scannen allein ersetzt noch keine Waldinventur. Die nachträgliche Prozessierung der Punktwolke dauert in der Regel länger als das Scannen. Die Baumartenerkennung aus Punktwolken funktioniert noch nicht zuverlässig. Die Ansprache von Baumart, Schaftschäden, Verjüngungsqualität, Verbiss und einiger anderer Parameter erfolgt weiterhin visuell. Die Eingabe dieser Parameter in der selben Begehung gleichzeitig mit dem Scannen, vorzugsweise über Spracheingabe, reduziert die Kosten der Feldarbeit. Zusammenfassend kann man feststellen, dass das Scannen auf den Probeflächen einer Waldinventur praxistauglich gelöst ist und einen signifikanten Genauigkeitsgewinn ermöglicht.
Flugzeug-Laserscanning flächendeckend
Digitale 3-dimensionale Abbilder des Waldes entstehen auch beim Flugzeug- oder Drohnen-Laserscanning (ALS – Airborne Laserscanning), damit ist die flächige Erfassung eines Untersuchungsgebietes möglich. Der technische Fortschritt seit Beginn der Scanaufnahmen vom Flugzeug vor 20 Jahren ist gewaltig. Damals waren Punktwolken mit 4 Punkten pro m² fast unerschwinglich, jetzt können 50 Punkte pro m² zu vernünftigen Preisen aufgenommen und daraus Einzelbäume mit Stammkoordinaten und Kronendimensionen extrahiert werden. Das funktioniert zuverlässig ab einer Baumhöhe von rund 10 m, Laubholzflächen sollten dazu im laubfreien Zustand beflogen werden. Idealerweise werden Daten aus terrestrischen Scanaufnahmen für eine einzelbaumweise Kalibrierung der Flugzeug-Laserscanningdaten verwendet. Liegendes Totholz ab 10 cm Durchmesser, Verjüngung und Unterholz können in ALS-Daten dieser Auflösung erkannt und quantifiziert werden.
Flugzeug-Laserscanning erfordert aus wirtschaftlichen Gründen eine Mindestfläche von etwa 500 ha. Kleinere Flächen können mittels Dohnen-Laserscanning erfasst werden. Dafür stehen nun auch kostengünstige Sensoren zur Verfügung. LIDAR-basierte Waldinventuren bringen nicht nur für die Karbon-Zertifizierung handfeste Vorteile. Von der Möglichkeit, einzelne Stämme noch vor der Ernte virtuell in Sortimente zu zerlegen, profitiert auch eine Betriebsstrategie, die auf maximale Wertschöpfung im Sägerundholz ausgerichtet ist.