Er hat etwas von einem Insekt, dieser Hubschrauber, der im August 2018 im süddeutschen Städtchen Neuenbürg im Schwarzwald einen Baumstamm durch die Lüfte schweben lässt. Extrem schmal, dafür relativ lang, mit einem Seitenleitwerk ähnlich wie beim Flugzeug. Am auffälligsten aber ist die exotische Anordnung der beiden Rotoren am K-Max des US-amerikanischen Herstellers Kaman Aerospace Corporation: Beide sind, ungewöhnlich schräg gekippt, auf dem Rumpf angebracht. Ihre Rotorebenen sind daher ineinandergreifend. Ein Getriebe sorgt dafür, dass sich die insgesamt vier Rotorblätter keinesfalls touchieren können. Dieser Lastenhelikopter ist das wohl ungewöhnlichste Arbeitsgerät in der Forstwirtschaft, denn er ist spezialisiert auf die Holzbringung an schwierigen Stellen.
Heikle Baumbergung
Anlass der ungewöhnlichen Aktion in Neuenbürg: Die Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) und das Forstamt des baden-württembergischen Enzkreises setzen den Spezialhubschrauber zur Bergung gefällter Bäume ein. Der Holzeinschlag in einem Waldstück oberhalb des denkmalgeschützten Bahnhofs der Stadt ist erforderlich, um die Verkehrssicherheit entlang der Bahnstrecke sowie einer Straße zwischen Neuenbürg und der angrenzenden Gemeinde Birkenfeld zu garantieren. Ein weiteres Kriterium: Der Einschlag dient der Waldverjüngung und soll für einen stabilen und artenreichen Baumbestand sorgen. Der eingesetzte Hubschrauber kommt von der liechtensteinisch-schweizerischen Betreiberfirma Rotex Helicopter AG.
Der Kaman K-Max bringt für diesen Einsatz die besten Voraussetzungen mit, da er ausschließlich zur Beförderung untergehängter Fracht entwickelt wurde. So sitzt der Pilot in der Mitte des schmalen Rumpfes und kann durch Fenster mit Ausbuchtungen auf beiden Seiten nach unten schauen. Außerdem ist der Hubschrauber ein echter Schwerathlet: Er wiegt ohne Sprit 2,3 t, kann aber bis zu 2,72 t schleppen, also mehr als sein Eigengewicht. Etwa jede Stunde landet der Heli zum Tanken direkt neben dem Bahngleis. Mithilfe eines eigens dazu mitgebrachten Tanklastwagens wird er in wenigen Minuten mit Kerosin aufgefüllt und startet dann sofort wieder.
Am Steilhang mitten in Neuenbürg geht es deshalb ordentlich zur Sache: Im Minutentakt hebt der Heli die Baumstämme im Gelände an und bringt sie zur Abladestation. Der Pilot kommuniziert dabei per Funk mit den Mitarbeitern am Boden, um immer genau zu wissen, wo er welche Stämme aufnehmen soll. Bis zu vier Stämme werden gemeinsam mit Stahlseilen verzurrt und dann an das Lastseil des über den Arbeitern schwebenden Helikopters angeflanscht. An der wenige Hundert Meter entfernten Abladestation auf einer Waldlichtung sind ständig drei weitere Mitarbeiter im Einsatz, um die vom Heli abgelegten Stämme aufzunehmen und mittels Forstspezialschlepper sofort weiterzurücken.
Außergewöhnliche Heli-Technik
Die hohe Leistungsfähigkeit verdankt der Helikopter seiner außergewöhnlichen Technik. Den bei einem konventionellen Hubschrauber sonst üblichen kleinen Heckrotor sucht man beim K-Max vergebens. Stattdessen sind zwei Rotoren gekippt auf dem Rumpf montiert. Eine 1.500 PS starke Turbine sorgt für die nötige Leistung. Erst, wenn sich die Rotorblätter anfangen zu drehen, lässt sich ihre ungewöhnliche Konfiguration erkennen. „Flettner-Doppelrotor“ nennt sich die Technik, entwickelt in den 1930er-Jahren vom deutschen Ingenieur Anton Flettner. Zwar wurde das Prinzip bereits in mehreren Helikoptertypen eingesetzt, ist aber bis heute eine exotische Antriebsart geblieben, denn die flettnersche Erfindung hat auch Nachteile: Durch gleich zwei Rotoren auf dem Rumpf weist der K-Max viel Luftwiderstand auf. Er ist mit maximal 185 km/h relativ langsam, mit Unterlast darf er höchstens 148 km/h fliegen. Die relativ hoch und gekippt angebrachten Rotorebenen lassen zudem deutlich weniger Bodenfreiheit zu als beim konventionellen Heli. Deshalb darf sich ein Helfer der laufenden Maschine nur von vorne nähern, um nicht von den seitlich weit nach unten reichenden Rotorblättern getroffen zu werden.
Renato Giezendanner, Projektleiter bei Rotex, lobt beim Einsatz in Neuenbürg besonders die Leistungsfähigkeit seines Hubschraubers. Sein 1997 gegründetes Unternehmen setzt ausschließlich den K-Max ein. Drei Exemplare fliegen bei Rotex. Es sind die einzigen Helikopter dieses Typs in Europa. Rotex übernimmt Aufträge in der Schweiz, in Österreich, Frankreich, Liechtenstein und Deutschland. Etwa 70% der Lastflüge finden in der Forstwirtschaft statt. Die anderen 30% entfallen auf Montage- und sonstige Transportaufträge. Auch zum Löscheinsatz kann der K-Max genutzt werden: Dann bekommt er eine Art Plastikwanne untergehängt, die mit Wasser gefüllt und über dem Brandherd ausgekippt wird. Der Schweizer Raffaello Milani ist einer der insgesamt acht Berufspiloten bei Rotex, die zum Heli-Logging eingesetzt werden. Er hatte bereits rund 4.000 Flugstunden Erfahrung auf konventionellen Turbinenhelikoptern, ehe er auf den exotischen K-Max umstieg. „Man braucht je nach Erfahrung etwa sieben bis zehn Stunden Umschulungszeit auf dem größeren Kaman-Hubschraubertyp mit Doppelsteuer, um mit dem System ohne Heckrotor vertraut zu werden”, betont Milani. Anschließend heißt es dann auf den einsitzigen K-Max umsteigen.
700 t Holz am Tag
Laut Projektleiter Giezendanner werden am ersten Tag der Aktion etwa 300 t und am zweiten sogar 700 t Holz am Himmel über Neuenbürg bewegt. Ideal für den Helikoptereinsatz ist, dass die unterhalb gelegene Bahnstrecke der Enztalbahn zwischen Pforzheim und Bad Wildbad ohnehin wegen Instandhaltungsarbeiten bis Anfang September gesperrt ist. So können die AVG und das Forstamt diese Zeit für Verkehrssicherungsmaßnahmen auf Waldflächen nutzen, die im Besitz der AVG sowie der Gemeinde Birkenfeld sind. „Traditionell findet der Holzeinschlag in der Forstwirtschaft eher in den Wintermonaten statt. Aber dann hätten wir die Stadtbahnstrecke und die beiden Straßen nochmals sperren müssen. Deshalb haben wir gemeinsam mit dem Forstamt entschieden, diese Arbeiten schon jetzt durchzuführen“, erklärt Frank Weißmann. Er ist bei der AVG-Bahnmeisterei Forbach beschäftigt. Diese verantwortet die Instandhaltungsarbeiten entlang der Enztalbahn.
Besonders herausfordernd bei den Fällarbeiten oberhalb des Bahnhofs ist die extreme Steilheit des Geländes. „In diesem schwer zugänglichen Waldstück, das nicht nur sehr steil, sondern auch unzureichend mit Fahrwegen erschlossen ist, können wir nur begrenzt konventionelles Rückegerät und Seilbagger einsetzen. Eine andernorts in Steillagen häufig verwendete Seilkrananlage kann hier nicht zum Einsatz kommen, weil es im Unterhang keine Möglichkeit gibt, ein Seil abzuspannen“, erklärt Andreas Roth, stellvertretender Forstamtsleiter des Enzkreises. Das Bergen der Baumstämme aus der Luft sei die einzige Möglichkeit, das Holz aus der Fläche zu entnehmen und zu verhindern, dass die zahlreichen beschädigten und kranken Bäume früher oder später auf die Bahnstrecke, die Straße oder Gebäude stürzen. „Deshalb haben wir ein Unternehmen beauftragt, das auf die Holzernte in solch extremen Steillagen spezialisiert ist“, so Roth. „Der Einsatz des Hubschraubers kann punktgenau erfolgen. Außerdem können wir so bis zu 500 m³ Holz pro Tag aus dem Wald abtransportieren. Dadurch können Straßensperrungen und damit die Beeinträchtigungen der Anrainer auf das Nötigste begrenzt werden“, hebt ein Mitarbeiter der AVG die Vorteile des Lufttransports hervor.
Beim Ablegen der Stämme ist von den Forstarbeitern ebenso wie vom Piloten höchste Konzentration gefordert. © U. Stohrer
Notauslösegriff am Steuerknüppel
Zur Vorbereitung für das Heli-Logging in Neuenbürg werden die Bäume zunächst mit einem Stahlseil an einem auf der Kreisstraße stehenden Seilbagger befestigt. Dieser zieht die Bäume bei der Fällung quer zum Hang in eine vorher exakt festgelegte Fallrichtung. „So wird sichergestellt, dass der Baum bei der Fällung nicht unkontrolliert den Hang hinunterrutscht. Die am Hangfuß quergelegten Bäume bieten somit eine Barriere und Schutz gegen das Abrutschen weiter oben bearbeiteter Bäume“, beschreibt Max Rapp, Leiter des zuständigen Forstreviers Birkenfeld, das Verfahren.
Nachdem die liegenden Bäume so eingeteilt sind, dass die maximale Hebelast des Helikopters nicht überschritten wird, hängen die Forstleute diese an den Helikopter an. Der Pilot sieht auf einer ins Cockpit eingebauten Waage ebenfalls, wie schwer seine Last ist. Er hat zudem einen Notauslösegriff direkt an seinem Steuerknüppel, mit dem er im Notfall die Last sofort abwerfen kann. „Da bei den untersten Bäumen, die direkt am Bahngleis oder an der Straße und damit in den steilsten Partien des Enzhangs stehen, die Gefährdung am größten ist, müssen dort auch die meisten Bäume entfernt werden“, erklärt Rapp die in Deutschland noch ungewöhnliche Arbeitsweise per Helikopter.
Im Alpenraum ist der Einsatz von Hubschraubern in Hang- und Berglagen hingegen längst alltäglich. Der K-Max, der von Rotex für das Heli-Logging in Neuenbürg eingesetzt wird, stellt im Hochgebirge oft die einzige Lösung dar, wenn konventionelle Seilkrananlagen nicht zum Zuge kommen können. Durch seine ungewöhnliche Technik kann der Hubschrauber Lasten bis zu einer Höhe von über 2.500 m befördern. Allerdings nimmt seine Tragfähigkeit umso mehr ab, je höher er fliegen soll und je höher die Temperaturen sind. Das ist beim Einsatz in Neuenbürg jedoch nicht relevant. Hier kommt der Spezialhelikopter im Forsteinsatz nicht einmal in die Nähe seiner Leistungsgrenze.