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Stark, wendig und stufenlos: Der Lintrac 90 © A. Fischer

Lintrac 90

Der Hightech-Allrounder

Ein Artikel von Andreas Fischer | 14.04.2019 - 21:15
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Die große Forstgreifzange mit Rotator am Frontlader leistete bei jeder Gelegenheit bärenstarke Dienste. © A. Fischer

Das steilhangtaugliche Modell zeichnet sich durch seinen tiefen Schwerpunkt aus. Neben dem Forstrahmen mit Tank- und Unterfahrschutz ist auch ein Frontlader mit Forstgreifzange und Rotator angebaut. Zum Test wurden vor Ort noch Schneeketten aufgezogen. Eine 5,5-t-Funkseilwinde am Heck entlastete die Vorderachse. Unter der nach hinten aufklappbaren Motorhaube sorgt ein Perkins-Turbodiesel mit 3,4 l Hubraum (102 PS) für ein hohes Drehmoment mit steilem Anstieg. Das macht sich schon bei geringen Motordrehzahlen beim kraftvollen Anfahren bemerkbar. Zum Öffnen des versperrten Tanks ist ein eigener Schlüssel notwendig.

Starten, Fahrtrichtung wählen und losfahren
Ohne Niederdrücken des Kupplungspedals ist kein Starten möglich (Startsperre). Das Zündschloss besitzt vier Positionen: (1) Stopp-, Aus-/Abstellstellung, (2) Radio-Stellung, (3) Vorglüh- und Laufstellung, (4) Anlassstellung. Das Vorglühen wird optisch von einer Kontrollleuchte unterstützt. Ist die Zündung 15 Minuten lang ausgeschaltet, wird die Batterie automatisch vom „Bordnetz“ getrennt. Mit dem Öffnen einer Tür ist die Verbindung wieder intakt. Das „Batterie-Aus“ funktioniert abrupt auch über einen Rasterschalter (links neben der Lenksäule). Ob vor- oder rückwärts gefahren werden soll, lässt sich mit dem Shuttle-Hebel links an der Lenksäule oder den zwei Tasten am multifunktionalen Joystick auswählen.

 
 
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Links an der Lenksäule befinden sich zwei multifunktionale Handhebel (für Fahrtrichtung , Neutralstellung, Blinker, Licht etc.). Mittig ist der IBC-Monitor zu sehen. © A. Fischer

Beim Lösen der Bremse bewegt sich der Lintrac 90 im Start-Fahrmodus „Drive“ in die vorgewählte Fahrtrichtung. Das Fahrzeug „kriecht“ förmlich langsam weg. Erst durch Betätigen des Gaspedals erreicht man Geschwindigkeiten von bis zu 40 km/h vorwärts oder 20 km/h rückwärts. Das Tempo kann durch einen Doppelklick am „L-Drive“-Rad (rechts an der aufklappbaren Armlehne) gespeichert und durch Links- oder Rechtsdrehen feinfühliger erhöht oder reduziert werden. Für Allrad, Differenzial, Tempomat, Kriechfunktion, Gas etc. stehen Schnellwahltasten zur Verfügung. Das Fahrzeug steht still, sobald die Fußbremse betätigt wird. Durch Anziehen der Handbremse wird das Getriebe automatisch in die Neutralstellung versetzt. Zur zusätzlichen Absicherung des abgestellten Fahrzeugs kann man mit einem Sicherheitshebel-Schwenk nach unten (rechts vorne in der Kabine) und gleichzeitig durchgedrücktem Bremspedal eine Sperre einlegen. Der Lintrac 90 ist mit LED-Rücklicht und -Tagfahrlicht ausgestattet. Zusätzlich verfügt er über leuchtstarke Bi-Halogen-Scheinwerfer für Fern- und Abblendlicht. Eine auf der linken Kabinendachseite montierte orange Rundumleuchte macht das Fahrzeug schon von Weitem sichtbar.

 
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Rechts neben dem Fahrersitz: EHR-Automatik-Armlehne mit L-Drive-Triebwerksteuerung, dahinter Joystick zur Hydraulikbedienung (z. B. für Frontlader, Rotator, Zange). © A. Fischer

Stufenloser Fahrkomfort mit Sperre
Dem ZF-Stufenlosgetriebe sind zwei Gruppen vorwärts und eine rückwärts nachgeschaltet. Das Umschalten der zwei Vorwärtsgruppen erfolgt je nach Fahrmodus automatisch und kann für schwere Zugarbeiten auch gesperrt werden. Drückt man den L-Drive-Controller, wird in den nächsten Fahrmodus gewechselt. So stehen unter anderem ein kraftstoffsparender Eco-Modus und ein Power-Modus für harte Einsätze zur Verfügung. Im Pro-Modus kann der Fahrer selbst die gewünschten Anpassungen vornehmen. Bei Bergabfahrten lässt sich mit einem Fußtaster zwischen Kupplung und Fußbremse die Getriebeübersetzung kurzfristig „einfrieren“, um die volle Motorbremswirkung nutzen zu können. Bei einer Lenkbremsung links oder rechts wird die Fahrgeschwindigkeit automatisch auf 14 km/h begrenzt.

 
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Hinter dem 2-stufigen Auftritt (rechts) ist das Herzstück der Druckluftbremse platziert. © A. Fischer

Kompakte, tief gesetzte Kabine
Die gefederte und geräuschgedämmte Kabine ist links und rechts mit jeweils zwei breiten Stufen angenehm zu begehen. Anfallender Schmutz fällt durch die Trittroste ungehindert hindurch. Eine Besonderheit ist die geringe Kabineneintrittshöhe von nur etwa 85 cm. Ausreichend Platz bietet ein luftgefederter Komfortsitz. Für Mitfahrer steht linksseitig ein kleinerer, gepolsterter Sitz zur Verfügung. Die Fahrersicht nach vorne und zur Seite ist gut. Beim Rückwärtsfahren oder Anhängen schränkten die Kabinenhöhe und das Forstrahmengitter hinten die Sicht ein. Zudem ließ sich die Heckscheibe nicht ganz öffnen. Lindner bietet daher seit Kurzem eine um 8 cm höhere „TracLink-Kabine“ an, bei der auch die Sicht nach hinten deutlich verbessert wurde. Die beiden am vorderen Kabinenrahmen montierten Außenspiegel waren im Wald von vorbeischnellenden Ästen besonders gefährdet. Bei der Anschaffung sollten besser anklappbare Rückspiegel geordert werden. Die Türen lassen sich weit öffnen und auch ohne Anstrengung schließen. Im Dunkeln sind der Ein- und Ausstieg sowie alle Schalter und Hebel gut beleuchtet.

Nur tanzen kann er nicht
Der IBC-Monitor unterhalb des Lenkrads dient als zentrale Anzeige. Mit einem darauf sitzenden Drehrad können schnell Menüauswahlen getroffen beziehungsweise bereits gespeicherte Einstellungen geändert werden (z.B. Abschalthöhe, Ölbegrenzung). Seitlich des Monitors lassen sich mithilfe der sechs Auswahltasten weitere Untermenüs (Hydraulik, EHS-Steuergerät, Betriebsdaten etc.) abrufen. Für die Lenkprogrammauswahl steht dem Fahrer rechts am B-Holm der Kabine ein Bedienterminal mit grünblauer Leuchtfunktion zur Verfügung. Innerhalb weniger Sekunden kann somit situationsangepasst auf komplett neue Fahrbedingungen reagiert werden. Neben der Vorderradlenkung im Straßenbetrieb sind noch wählbar:

4-Rad-Lenkung:
Die Hinterachse lenkt zusätzlich und proportional zur Vorderachse mit. Das erhöht die Wendigkeit und schont den Boden.

Acker-/Mähbetrieb:
Die Hinterachse lenkt erst ab einem Vorderachseinschlag von etwa 15° mit. Dadurch wird das Ausschwenken des Fahrzeughecks bei geringen Richtungskorrekturen verhindert.

Hundegang:
Hier lenkt die Hinterachse in die gleiche Richtung wie die Vorderachse. Das ermöglicht seitlich-schräges (diagonales) Fahren.

Manuell:
Der Einschlag der Hinterachse kann manuell eingestellt werden, unabhängig von der Lenkbewegung der Vorderräder.

Schneekettenbetrieb: Der Lenkeinschlag der Hinterachse wird stark reduziert, um Beschädigungen am Fahrzeug zu vermeiden. Wird die mitlenkende Hinterachse als „Zusatzlenkung“ bei Stillstand (max. 10 km/h) aktiviert, ist das Zuschalten der Differentialsperre ein No-Go. Aufgrund der sich damit erhöhenden Kippgefahr (insbesondere mit beladenem Frontlader) ist die Höchstgeschwindigkeit dann automatisch auf 20 km/h begrenzt. Durch das Drücken des „Straßen“-Knopfes wird die Hinterachslenkung wieder deaktiviert.

 
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Elektronische Hubwerksregelung (Lageregelung) mit Schwingungstilgung, Senkdrossel, Hubhöhenbegrenzer, Aushubhebel, Verriegelung, Leuchtdioden, Diagnosewerkzeug u.v.m., darunter Druckknopf zum Ein- und Ausschalten der Zapfwelle © A. Fischer

Weitere Steuerungselemente
Die fixe Konsole rechts neben dem Fahrer beinhaltet eine übersichtliche Leiste an Dreh- und Druckknöpfen sowie eine Sicherungsschaltung. So kann mittels elektronischer Hubwerksregelung samt Fixierungshilfe auch die Drehzahl (Handgas) stufenlos reguliert werden. Mit Knopfdruck lässt sich auch ein gespeicherter Drehzahlwert abrufen. Daneben gibt es dort die Schwingungstilgung, die Senkdrossel, den Hubhöhenbegrenzer oder die Tiefenregulierung. Die Allrad-Funktion wird durch einmaliges Drücken auf die Allrad-Taste aktiviert. Dies kann auch unter Last erfolgen. Eine automatische Allrad-Zuschaltung erfolgt bei jedem Bremsvorgang, sobald die Fahrgeschwindigkeit 6 km/h überschreitet.

Alles regelbar
Der Lintrac 90 verfügt über einen von Arbeitshydraulik, Lenkung und Getriebe getrennten Ölhaushalt. Eine Axialkolbenpumpe regelt die Hydraulikleistung stufenlos bis 88 l/min. Feineinstellungen können mithilfe der Drehräder und Taster am Monitor vorgenommen werden. Somit wird immer die jeweils benötigte Ölmenge gefördert. Für die jeweilige Steuerung stehen mehrere doppelt wirkende, elektrohydraulische Steuergeräte (EHS) zur Verfügung – spezifsch dosierbar (Load Sensing) mit Schwimm- und Zeitsteuerung. Das eingeklappte Fronthubwerk kam aufgrund des Frontladeraufbaus beim Test nicht zum Einsatz.

 
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Externe Betätigung der Zapfwelle und des Heckhubwerks unterhalb bzw. links der Heckleuchte. Die Hubgeschwindigkeit reduziert sich so um ca. 50%. © A. Fischer

Lastschaltbare Heckzapfwelle
Die 4-fach-Heckzapfwelle mit Anlaufsteuerung arbeitet wahlweise mit 430/540/750/1.000 U/min. Die Zapfwellendrehzahl kann mit zwei Hebeln rechts neben dem Fahrersitz bestimmt werden. Für den Economy-Betrieb (750 bis 430 U/min) ist die grüne Position vorzuwählen, für den Standardbetrieb (1.000 bis 540 U/min) die schwarze. Die Zapfwellengeschwindigkeit lässt sich mit dem zweiten Hebel fixieren. Mittig ist dieser in Neutral-(Null-)Stellung. Aktiviert und deaktiviert wird die Heckzapfwelle über einen Drücktaster an der rechten Bedienkonsole oder bei der Arbeit im Freien über einen Außentaster unter der Heckleuchte.

 
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Beim Rücken im Durchforstungsbetrieb konnte besonders bodenschonend gearbeitet werden. © A. Fischer

Fazit des außergewöhnlichen Multitalents
Der stufenlos fahrbare Lintrac 90 ist aufgrund seiner kompakten Abmessungen und tiefen Schwerpunktlage eine Klasse für sich. Das vierfach lenkbare Fahrzeuggespann vereinigt bewährte Eigenschaften von Allradtraktor, Mähtrac und Hoflader. Die Vorteile der Lenkprogramme konnten beim Frontladereinsatz jedoch nicht ganz ausgespielt werden. Im Wald ist die geringe Bodenfreiheit (rund 30 cm) hinderlich. Für Forstprofis wird daher der Lintrac 110 empfohlen, der auch mit 34“-Bereifung ausgerüstet werden kann. Im Zug- und Lastbetrieb ist die stabil aufgebaute Hinterachslenkung durch das Mehr an (beweglichen) Bauteilen gefordert. Diese bringen auch mehr Angriffsflächen für Verschleiß mit sich. Bei größeren Lintrac-Modellen ist der Lenkzylinder der Hinterachse besser geschützt unter der Kabine verbaut.

Als Allrounder kann der Lintrac als Hightech-Gerät viel und für den Tester auch mehr, als er im Wald können muss. Dass die Qualität „made in Austria“ auch ihren Preis hat, versteht sich von selbst: Das Testmodell mit Hinterradlenkung, Rundum-Forstpaket und vielen anderen Features kostet gemäß unverbindlichen Preisangaben rund 118.000 € inkl. USt. und ist ausrüstungsabhängig schon ab 86.000 € im Angebot.