Die Bonität von Waldbeständen ist eine der wichtigsten Kennzahlen für die Forstwirtschaft. Sie bildet die Grundlage für die Ermittlung des nachhaltigen Hiebsatzes und ist ebenso maßgebend für die Vitalität, Biodiversität und Schutzfunktion von Wäldern. Die Begriffe Produktivität, Wuchsleistung und Ertragsklasse sind Synonyme oder Ausdrücke der Bonität.
Hilfstafeln für die Forsteinrichtung
Traditionell erfolgt in Österreich die Ermittlung der Bonität mit den „Hilfstafeln für die Forsteinrichtung“ von Julius Marschall aus dem Jahr 1975. Diese Ertragstafeln enthalten Wachstumskennzahlen für verschiedene Baumarten. In Altersabständen von zehn Jahren sind Kennzahlen wie die Bestandesoberhöhe, Stammzahl und Wuchsleistung angeführt. Messungen an Bäumen in der Natur geben Rückschluss darauf, welche Ertragsklasse (EKL) vorliegt. Um dies feststellen zu können, sind die Messung einer Bestandesoberhöhe, also der Höhe der stärksten Stämme je Hektar, sowie die Ermittlung eines Bestandesalters notwendig. Bestände, welche bei gleichem Alter eine größere Oberhöhe aufweisen, besitzen eine höhere Bonität als jene mit einer geringeren Oberhöhe.
Die Ertragstafeln nach Marschall geben die Bonität in Form des durchschnittlichen jährlichen Gesamtzuwachses an Derbholz in Vfm/ha bis zum Alter 100 Jahre (DGZ100) an. Für die Herleitung der DGZ-Werte verwenden die Ertragstafeln neben dem Höhenbonitätsfächer noch Funktionen für die Gesamtwuchsleistung bis zum Alter 100 Jahre (GWL). Das Bestandesalter sowie die Oberhöhe müssen dabei für jeden Bestand händisch anhand von Bohrkernen und Höhenmessungen festgestellt werden. Aufgrund dieser arbeitsintensiven Datengewinnung besteht der Bedarf nach neuen Methoden zur Schätzung der Produktivität.
Verschiedene Ertragsklassen (EKL) weisen bei gleichem Alter (im gezeigten Beispiel 100 Jahre) unterschiedliche Bestandes-oberhöhen auf. Gesamtwuchsleistungsfunktionen, die in den Ertragstafeln hinterlegt sind, geben aufgrund der Oberhöhe eine Information über die zu erwartende Gesamtwuchsleistung bis zum Alter 100 Jahre an. Die Gesamtwuchsleistung bis zum Alter 100 Jahre muss lediglich durch 100 dividiert werden, um den DGZ100 zu ermitteln. © BOKU
Airborne Laserscanning-Daten
Mittels Airborne Laserscanning (ALS) können relevante Baum- und Geländeparameter aus der Luft erhoben werden. Dabei erstellt ein flugzeuggetragener Laserscanner eine dreidimensionale Punktewolke eines Untersuchungsgebietes. Aus dem digitalen Abbild können mithilfe verschiedener Algorithmen Boden- oder Vegetationspunkte klassifiziert und voneinander getrennt werden. Anhand der erhaltenen Bodenpunkte lässt sich ein digitales Geländemodell ableiten, aus dem in weiterer Folge Geländeparameter wie die Exposition, Neigung und Topografie gewonnen werden können.
Ebenso lässt sich aus den Vegetationspunkten ein Vegetationshöhenmodell, also eine flächige Abbildung der Vegetationshöhe, errechnen. Algorithmen können innerhalb dieses Vegetationshöhenmodells Einzelbäume detektieren und deren Baumhöhen und -positionen errechnen. Finden solche ALS-Befliegungen zu zwei verschieden Zeitpunkten über demselben Gebiet statt, können für die gefundenen Einzelbäume auch die Höhenzuwächse ermittelt werden.
Bonitätsmodell
Das im Zuge der Masterarbeiten entwickelte Bonitätsmodell (siehe Grafik nächste Seite) sollte eine flächige Prognose der Bonitäten einzelner Baumarten ermöglichen. Dafür wurden an bereits existierenden Stichprobenpunkten Referenzbonitäten (DGZ100-Bonitäten) ermittelt und ALS-Daten aus zwei Befliegungsperioden (2007 und 2014) ausgewertet.
Diese Auswertung ermöglichte eine Ermittlung von Höhenzuwächsen einzelner Bäume auf der gesamten Fläche des rund 1.100 ha großen Lehrforstes Rosalia im Forstrevier Pernitz der Österreichischen Bundesforste (ÖBf). Eine vorhandene Baumartenklassifikationskarte erlaubte eine Zuordnung der Baumart zu jedem detektierten Einzelbaum. Der Modellansatz verwendete den Höhenzuwachs und die aktuelle Baumhöhe. Dadurch ist man bei Bonitätsabschätzungen nicht mehr auf das Bestandesalter angewiesen, das teilweise nur sehr unpräzise angegeben oder gar nicht bekannt ist. Da Höhenzuwächse einzelner Baumarten in verschiedenen Alters- sowie unterschiedlichen Ertragsklassen differente Verläufe aufweisen, konnte von den Höhenzuwächsen auf die lokal vorherrschende Bonität rückgeschlossen werden. Ebenso flossen in die Bonitätsprognose Geländeparameter ein, die zur Gänze den ALS-Daten entnommen wurden. All diese Kovariablen (Baum- und Geländeparameter) konnten mit geringem Aufwand aus bereits vorhandenen und frei verfügbaren Fernerkundungsdaten gewonnen werden.
Unter Verwendung einer modernen statistischen Regressionsmethode konnte das Bonitätsmodell an den Referenzbonitäten trainiert und anschließend eine flächige Prognose durchgeführt werden.
Die Ergebnisse der prognostizierten Bonitäten mit der Angabe der mittleren Abweichung (RMSD) und des durchschnittlichen Fehlers (BIAS) zu den Referenzbonitäten für die einzelnen Baumarten in einem Altersbereich von 30 bis 120 Jahren. © BOKU/Forstzeitung
Ergebnisse
Es wurde erwartet, dass die Modelle in einem Altersbereich von 30 bis 120 Jahren brauchbare Ergebnisse liefern würden, da die Ertragstafeln diesen Altersbereich für alle Baumarten abdecken und somit für die Ermittlung der Referenzbonitäten nicht auf extrapolierte Werte zurückgegriffen werden muss. Im Altersbereich von 30 bis 120 Jahren konnte die Bonität für die Buche und die Fichte mit einer mittleren Abweichung von rund zwei EKL prognostiziert werden, wohingegen für die anderen Baumarten lediglich eine mittlere Abweichung von rund einer EKL auftrat, der mittlere Fehler war bei allen Baumarten vernachlässigbar gering (siehe Tabelle). Zur Kalibrierung des Modells für die gesamte Holzbodenfläche des Lehrforstes wurden Referenzbonitäten von 4.909 Stämmen an 512 Stichprobenpunkten aufgenommen.
Weitere Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass der Referenzdatenumfang für die Anpassung des Modells deutlich reduziert werden kann, ohne dass dies einen nennenswerten Einfluss auf die Modellgenauigkeit hat. Eine Reduktion der Referenzdaten um 50 % erhöhte die mittlere Abweichung um weniger als eine Ertragsklasse.
Zukünftige Anwendungen
Das angewandte Verfahren bringt einen Zeitgewinn gegenüber der traditionellen Bonitierung mit sich, da für ein nahezu gleich genaues Ergebnis händische Referenzbonitäten an weniger Stichprobenpunkten aufgenommen werden müssen. Die erstellten Bonitätskarten stellen eine zusätzliche Hilfe für die Forsteinrichtung dar und geben auch in größeren Beständen eine gute Übersicht über die kleinräumig unterschiedlichen Wuchsbedingungen, die bei der klassischen, bestandesweisen Taxation nicht berücksichtigt werden können.
Die entwickelten Verfahren und Modelle zur Bonitätsschätzung sind ein weiterer Schritt in Richtung „digitaler Waldinventur“. Sie stellen in Verbindung mit der größer werdenden Bedeutung an lasergestützten Walddaten eine zukünftige Möglichkeit dar, flächige Bonitätsermittlungen zeit- und ressourcenschonend durchzuführen.