Langjährige Begleiter ihrer beruflichen Karriere schätzen an Hermine Hackl vor allem ihr beherztes Engagement für den Wald, das sie in zahlreichen wichtigen Positionen der Branche an den Tag gelegt hat – zuletzt als Generalsekretärin der Kooperationsplattform Forst-Holz-Papier (FHP). Mit demselben Charme und sprühenden Elan hat sich die Waldviertlerin mit steirischen Wurzeln nun an ihre neue berufliche Aufgabe gemacht: Als Leiterin der größten Institution am Waldcampus – der Forstlichen Ausbildungsstätte (FAST) Traunkirchen – möchte sie das Haus auch zu einem Ort der Begegnung mit der nichtforstlichen Öffentlichkeit machen, um Vorurteile abzubauen, aufzuklären und sich den Fragen der Menschen zu stellen.
Frau Hackl, wie sehr vermissen Sie Wien?
Das ist eine interessante Einstiegsfrage [lacht]. Ja, ich vermisse Wien schon ein bisschen, denn ich habe dort über 35 Jahre lang gelebt. Ich bin auch ein Stadtmensch. Also, das ganze kulturelle Umfeld Wiens liebe ich schon sehr. Faktum ist aber, dass ich nicht eine Sekunde gezögert habe, als ich das Angebot für diesen Job bekam. Denn ich habe dieses Projekt ja als Mitglied des Wirtschaftsrates des Bundesforschungszentrums für Wald (BFW) schon gut gekannt. Daher wusste ich: Die Musik der Forstwirtschaft wird sich in vielen Bereichen in Zukunft hier abspielen. Und ich wollte und will Teil dieser Zukunft sein und sie von dieser praktischen Seite her mitbegleiten.
Wie wird diese neue Einrichtung hier von der Bevölkerung rezipiert?
Sehr herzlich! Die Leute aus der Umgebung kommen gerne hierher – ob das jetzt der Fußballverein ist, der sich im Winter in unserer Sporthalle einmietet oder der Bürgermeister, der mit dem Gemeinderat kommt oder die Blasmusikkapelle, die ihr Frühjahrskonzert hier ausrichten möchte. Sogar die berühmten Glöckler kommen mit ihren riesigen Leuchtkappen, um hier bei uns den Abschluss ihres Glöcklerlaufs zu zelebrieren. Das ist eine besondere Ehre! Es ist auch keine Kleinigkeit für eine Gemeinde mit einer überschaubaren Größe wie Traunkirchen, wenn hier 60 Arbeitsplätze geschaffen werden. Zudem halten sich in diesem Haus auch noch 70 Schüler auf, die in die Forstfachschule gehen. Schließlich werden wir bis zum Jahresende etwa 10.000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen von Kursen und Seminaren hier im Haus gehabt haben. Das ist kein geringer Wirtschaftsimpuls für diese Region.
Welche Institutionen wurden am Standort in Traunkirchen zusammengeführt?
Die Jagdvilla aus Habsburger Zeiten beherbergt die Verwaltung. Die Ausbildungsstätte sowie der Beherbergungsbetrieb sind in dem beachtlichen Holz-Beton-Hybridbau untergebracht, der von allen Leuten – auch von jenen aus der Umgebung – als schön und gelungen empfunden wird. Wir haben in diesem Haus die forstliche Ausbildungsstätte, die Forstfachschule und den Einforstungsverband. Aber es gibt hier auch noch weitere Flächen, die wir nutzen wollen. Es wurde die Vision entwickelt, daraus eine Begegnungszone mit der nichtforstlichen Öffentlichkeit zu machen. Denn wir haben hier die „Hardcore“-Forstwirtschaft, von der die Welt da draußen wenig Ahnung hat.
Wie wichtig ist für Sie dieser Kontakt mit der Außenwelt?
Das illustriere ich am besten mit einem Erlebnis: Der bekannte Prof. Thomas Elmayer veröffentlichte 2011 ein Buch – den „Kleinen Wald-Elmayer“. Das war ein ziemlicher Erfolg. Nun veranstaltet die Tanzschule Elmayer seit 99 Jahren am Faschingdienstag das „Elmayer-Kränzchen“ in der Hofburg. Das lockt jedes Jahr Tausende Ballbesucher an. Da wird das größte Eröffnungskomitee aufgeboten, das es in Österreich gibt: 250 junge Paare! Die Hälfte der Einnahmen aus diesem Ball kommt dem Haus der Barmherzigkeit zugute, die andere Hälfte wird einem anderen wohltätigen Zweck zugeeignet. Heuer ging die andere Hälfte an die Plattform „Plant for the Planet“ von Felix Finkbeiner, der vorhat, eine Billion Bäume zu pflanzen, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Prof. Elmayer und seine Gattin wollten bewusst im Bereich Wald-Holz ein Zeichen setzen. In diesem Zusammenhang haben sie mich angerufen und gefragt, ob „Plant for the Planet“ nicht gegen die Forstwirtschaft gerichtet sei. Ich konnte sie beruhigen und ihnen sagen, dass es dabei um Aufforstung und um Holznutzung gehe. Felix betont ja immer: „Ein guter Baum endet als Holzmöbel oder Holzboden.“ Das ist also ganz unsere Botschaft. Aus Anlass dieses Balls wurde eine Neuauflage des „Wald-Elmayers“ herausgegeben. Ich hatte das Zunftzeichen der Forstwirtschaft zum Ball mitgenommen, auf dem unter anderem auch eine Säge, ein Sappel und eine Hacke dargestellt sind. Und der Fotograf, der auf diesem Ball arbeitete, sagte dann zu uns, er wisse nicht, ob er dieses Zunftzeichen fotografieren wolle. Denn immerhin stehe dieser Abend ja im Zeichen des Baumpflanzens und nicht des Baumumschneidens. Das passe doch gar nicht zusammen. Dieser Mann war ein klassischer Großstädter. Für ihn bedeutete Waldwirtschaft offenbar, alles außer Nutzung zu stellen. Was wir hier in Traunkirchen den Leuten beibringen, ist aber unter anderem, genau das zu lernen – wie man Bäume umschneidet. Hier gibt es Motorsägen-, Freischneider- und Harvesterkurse. Wir sehen es daher als eines unserer Ziele an, den Menschen, die hierherkommen, zu sagen, dass einen Baum umzuschneiden nichts Böses ist. Die Waldpädagogik war der erste große Vorstoß in Richtung forstlicher Öffentlichkeitsarbeit, mit dem man versucht hat, aktiv auf die nichtforstliche Öffentlichkeit zuzugehen. Und genau das ist auch unser erklärtes Ziel hier.
Es gibt auch international großes Interesse an unserer Einrichtung.
Es geht also um Aufklärung der Öffentlichkeit über die Rolle der Forstwirtschaft. Eine forstliche Begegnungszone hätte dabei wohl eine tragende Rolle ...
Genauso ist es! Und der Standort hier in diesem touristischen Umfeld ist auch ideal. Das Ganze soll nämlich durchaus internationale Dimensionen erreichen. Bundesministerin Elisabeth Köstinger hat uns bei der Eröffnung dazu aufgefordert, auch europaweit zu denken. Offenbar haben wir zu klein gedacht, denn unlängst hatten wir schon die erste große Delegation von Amerikanern, Afrikanern und Asiaten hier am Campus. Es gibt auch international großes Interesse an unserer Einrichtung!
Welche Intention verbirgt sich hinter dem neuen Namen „Waldcampus“?
„Waldcampus“ steht für Öffnung nach außen. Die [ursprüngliche] Bezeichnung „Forstliches Bildungszentrum“ war ja vor allem nach innen – in die Branche selbst – gerichtet. Ursprünglich war der Gedanke, einfach zwei forstliche Bildungseinrichtungen zusammenzulegen und Synergien zu nutzen. Aber bald entstand die Vision, uns viel mehr nach außen zu öffnen. Wir werden bei diesem Ziel auch von der Politik unterstützt. Ministerin Köstinger ist sehr wald- und holzaffin. Sie verfolgt mit diesem Standort ganz klar auch einen gesellschaftspolitischen Anspruch. Immerhin ist der Forst-Holz-Sektor der zweitwichtigste Wirtschaftsfaktor im Land. Es geht also um Bewusstseinsbildung für die gesamte Bevölkerung. Und dieser neuen Rolle würde die ursprüngliche Bezeichnung „Forstliches Bildungszentrum“ nicht mehr gerecht. „Waldcampus“ ist ein Begriff, den man sich auch leichter merkt. Wir wollen, dass die Leute wissen, dass sie künftig auf diesen Waldcampus kommen können, um sich über das Thema Wald und Holz zu informieren. Wir bieten etwa Kurse für Waldpädagogik an, aber auch für Forst und Kultur und in weiterer Folge auch für Green Care. Der neue Name steht also für einen neuen Anspruch an uns selbst. Wir wollen auch Organisationen hierher bringen, die nicht klassische Bildungseinrichtungen sind. Das können etwas Startups sein oder etablierte Firmen. Wir waren alle sehr dahinter, dass wir einen neuen Namen bekommen. Wir sind an diesem Tisch hier gesessen, haben Vorschläge erarbeitet und Ministerin Köstinger hat sich dann für „Waldcampus Österreich“ entschieden. Eine forstliche Ausbildungsstätte dieser Größe mit einer öffentlichen Begegnungszone ist wirklich einzigartig in Europa, vielleicht sogar weltweit.
Gibt es schon konkrete Ideen für die Bespielung dieser Begegnungszone?
Wir haben schon Ideen, ja. Etwa Themenausstellungen mit interaktiven und Erlebniskomponenten. Da ist auch der Tourismusverband miteingebunden. Ich durfte vor langer Zeit einmal ein Konzept erarbeiten mit dem Titel „Der Wald – Botschaft und Potenzial einer Region“. Im Übrigen war alles, was ich in meinem Leben bisher gemacht habe, eine Vorbereitung auf diesen Job hier. Wir wollen aus dieser Region eine „Modellregion Wald“ machen. Es gibt ja nicht nur uns hier, sondern etwa auch den Naturmöbelhersteller Grüne Erde und andere verarbeitende Betriebe aus unserer Branche, aber auch Initiativen, die sich mit Forst und Kultur oder mit Gesundheit beschäftigen. Möglicherweise haben wir im nächsten Jahr hier schon einen Schwerpunkt „Wald und Tourismus“ etabliert und sind auf dem Weg, eine Modellregion dafür zu werden. Da ist noch einiges in der Pipeline. In jedem Fall ist es eine Win-win-Situation für alle Beteiligten.
Wie schwer ist es eigentlich, die Nachfolgerin eines Dr. Wolfgang Jirikowski [ehem. Leiter der FAST Ort] zu sein?
Es gibt keine Nachfolge von Dr. Jirikowski. Er ist immer eine Klasse für sich gewesen. Er ist ein absolut genialer Forstmann. Es wäre absolut vermessen, wenn ich behauptete, ich sei die Nachfolgerin von Dr. Jirikowski. Das ginge auch schon aus faktischen Gründen nicht, denn es ist ja nicht nur eine reine Übersiedlung von Ort nach Traunkirchen gewesen, sondern es entsteht mit den anderen Institutionen hier im Haus und mit den neuen Ideen etwas völlig Neues. Hätte man also eine reine Nachfolgeposition für Dr. Jirikowski besetzen wollen, wäre das nichts für mich gewesen.
Wie groß sind die Freiheiten, Ihre Funktion hier so auszufüllen, wie Sie sich das vorstellen?
Mein großer Vorteil ist, dass ich eigentlich nur mehr wenige Jahre bis zu meiner Pensionierung habe. Ich brauche auf Karriere nicht mehr Rücksicht zu nehmen. Auch brauche ich mir oder anderen nichts mehr zu beweisen. Aber ich kann die Erfahrung eines ganzen beruflichen Lebens hier einbringen. Ich bin schon seit Jahren davon überzeugt, dass Österreich dringend einen Ort wie diesen braucht, um hier endlich Barrieren zu überwinden und den Schritt auf die Öffentlichkeit zuzugehen. Dieses Erlebnis mit dem Fotografen beim Elmayer-Kränzchen hat mir gezeigt, wie unheimlich wichtig es für die Forstbranche ist, diesen Schritt zu setzen. Als in den 1980er-Jahren das Waldsterben in aller Munde war, kamen Fragen auf in der Bevölkerung, die nicht von Forstseite aus beantwortet wurden, sondern von Organisationen, die heute in Brüssel in den entscheidenden Gremien sitzen. Und die sagen heute vielfach der Forstwirtschaft, was sie zu tun hat. Mit der Klimawandel-Debatte sind wir jetzt wieder in einer ähnlichen Situation. Wir haben jetzt wieder die historische Chance, den Menschen klarzumachen, wir sind die Experten, wir wissen, wie es geht!
Wie gut war denn die Forstwirtschaft bisher in der Kommunikation nach außen?
Ich würde sagen, sie war schon einmal viel schlechter. Sie hat sich aus meiner Sicht dramatisch verbessert. Aber wir sind noch lange nicht dort, wo andere sind. Doch wenn ich etwa zu proHolz Steiermark blicke, dann ist dort schon viel gelungen. Dort wird zielgruppengerecht kommuniziert. Es sollten auch mehr schicke junge Leute mit Waldwerkzeugen in der Hand in den Medien auftauchen, die Botschaften verkünden wie: „Holz verwenden ist gut fürs Klima!“ – und vielleicht weniger Funktionäre in schwarzen Anzügen. Wichtig wäre es, in einen echten Dialog mit der Zivilgesellschaft einzutreten. Wenn alle mitmachen – von der Politik bis zur Wirtschaft – dann können wir in Traunkirchen genau dafür eine Plattform schaffen. Das wäre etwas, was auch auf andere Länder Europas abfärben könnte. Ich habe immer wieder Philipp zu Guttenberg [ehem. Präsident der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände, Anm. d. Red.] im Ohr, der gesagt hat: „In Deutschland scheint der Zug abgefahren zu sein, was die Kommunikation der Forstwirtschaft mit der Öffentlichkeit betrifft.“ In Österreich haben wir noch die Chance, diesen Schritt auf die Gesellschaft zuzumachen. Und wenn wir es jetzt und hier nicht schaffen, dann können wir es eh vergessen! Im Juni kommen die Vertreter/-innen des Sektors hierher. Wir werden ihnen unsere Ideen weitergeben, und wir hoffen, dass wir sie – zu ihrem eigenen Vorteil – ins Boot bekommen.
Wir Vertreter der Forstwirtschaft dürfen die Menschen beim Thema „Klimawandel“ nicht wieder so allein lassen wie in den 1980ern beim „Waldsterben“.
Ist nicht die Klimakrise, die in den Medien große Resonanz findet, auch eine Chance, diese Aufmerksamkeit zu nutzen und zu sagen: „Wir haben da interessante Angebote für euch! Hört uns zu!“?
Darum sage ich, das ist ein Grund mehr! Die Zeit für einen Standort wie Traunkirchen ist jetzt reif gewesen. Schon lange nicht mehr haben die Menschen so intensiv über Waldthemen nachgedacht wie jetzt. Und jetzt können wir sie nicht wieder wie in den 1980er-Jahren damit alleine lassen. Jetzt müssen wir wirklich auf ihre Fragen eingehen. Und ich sage ganz bewusst „wir“, nicht „andere“. Dieses Haus steht genau dafür.
Wie hat denn die Mannschaft darauf reagiert, dass ihr neuer Chef jetzt eine Frau ist?
Klar, es war eine Überraschung für viele. Aber ich habe mit jedem einzelnen Mitarbeiter, mit jeder einzelnen Mitarbeiterin ein persönliches Gespräch geführt und habe meine Vision erklärt. Und ich glaube, es wurde verstanden, dass hier etwas völlig Neues beginnt.
Ist das mit allem Nachdruck geplante und errichtete Haus des Waldes in Traunkirchen überhaupt so visionär gedacht, dass es alle diese Ideen beherbergen kann?
Ich hoffe! Die Neuausrichtung des FAST-Gedankens soll ja die gemeinsame Vision vieler anderer Entscheidungsträger in der Branche werden. So einen Ort wie diesen hier werden wir so schnell nicht ein zweites Mal bekommen! Die Lage ist ja einzigartig. Der Mittelpunkt Österreichs ist Bad Aussee, der Mittelpunkt Europas ist Kremsmünster [sic]. Und der Mittelpunkt der Strecke zwischen Bad Aussee und Kremsmünster ist Traunkirchen. Also, zentraler geht es nicht! Und ich hoffe für den Forstsektor, dass erkannt wurde oder erkannt werden wird, was hier entstanden ist.
Was macht Hermine Hackl, wenn sie nicht arbeitet? Haben Sie irgendwelche Hobbys?
Hermine Hackl schläft, wenn sie gerade nicht arbeitet [lacht]. Nein! Ich langlaufe und wandere gerne mit meinem Mann. Unlängst haben wir Nordic Walking für uns entdeckt. Wir kochen gerne und haben auch sehr gerne Gäste. Und dann lebe ich hier ja in meinem Paradies! Ich habe sowohl das Schießkino als auch den Harvester-Simulator schon gehörig ausprobiert. Ich hatte ja als junges Mädchen vorgehabt, Forstwirtschaft zu studieren. Aber vor 35 Jahren war das für eine Frau undenkbar. Doch man entgeht seiner Bestimmung nicht: Heute bin ich Leiterin einer forstlichen Ausbildungsstätte am Waldcampus. Wir stehen am Eingang des goldenen Holzzeitalters, davon bin ich überzeugt! Der Betonindustrie geht schön langsam der Sand aus, der Erdölindustrie das Erdöl, entnimmt man den Medien. Und jetzt sind wir da mit unserem Superrohstoff Holz. Es gibt ja nicht viele Alternativen!
Frau Hackl, besten Dank für das Gespräch und viel Erfolg!