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Wie müssen die Rahmenbedingungen sein, dass alle optimal in den Arbeitsprozess integriert sind? © www.lunghammer.at / Waldverband

Fem4forest

Mehr Frauen in die Forstwirtschaft

Ein Artikel von Dagmar Karisch-Gierer | 03.10.2023 - 13:47
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Frauen bringen neue Sichtweisen ein, von denen auch Männer profitieren. © www.lunghammer.at / Waldverband

Laut Agrarstrukturerhebung 2020 ist fast ein Drittel aller österreichischen Waldbesitzer*innen weiblich. Das spiegelt sich in den Gremien von forstlichen Interessenvertretungen und Gemeinschaften allerdings kaum wider. Auch in der Berufsausbildung und unter den Arbeitnehmer*innen ist der Frauenanteil gestiegen. Dennoch ist die Forstwirtschaft nach wie vor stark männlich konnotiert und Frauen sind wenig sichtbar. 
Aber: Der Forstsektor verändert sich und Frauen sind Teil dieser Transformation. Frauen wollen in der Forstwirtschaft aktiv werden und sich engagieren, sowohl als Waldbesitzerinnen als auch als Arbeitnehmerinnen. Damit sie das effektiv und erfolgreich tun können, braucht es aber auch geeignete Rahmenbedingungen, die den Lebenswelten von Frauen gerecht werden. Kurz: Es braucht Gleichstellung.

Alles gleich?
Gleichberechtigung, Gleichstellung, Gleichbehandlung – ist das nicht ohnehin alles das Gleiche und gibt es das nicht schon alles?
Ein kleiner Crashkurs dazu: Gleichberechtigung bedeutet gleiche Rechte für Männer und Frauen in unserem Rechtssystem – so gilt etwa die Straßenverkehrsordnung für alle Verkehrsteilnehmer*innen. Das Gleichbehandlungsgebot verbietet, jemanden aufgrund des Geschlechts, Alters und Ähnlichem zu benachteiligen, daher ist zum Beispiel gleicher Lohn für gleiche Arbeit zu bezahlen. Gleichstellung bedeutet, dass die Interessen, Bedürfnisse und Prioritäten von Frauen (und ebenso die von Männern) berücksichtigt werden.
Gleichberechtigung und Gleichbehandlung haben also einen rechtlichen Rahmen, in dem gleiche Gruppen gleichbehandelt werden. Eigentlich stünden Frauen in der Forstwirtschaft also alle Türen offen: Die Branche bietet ein breites und hochinteressantes Betätigungsfeld und könnte ihrerseits die Ressourcen der Frauen auch ganz gut gebrauchen. Aber wo sind sie, die Waldbesitzerinnen, Försterinnen, Forstwirt- und -wartinnen, die Forstfacharbeiterinnen und Forstwirtschaftsmeisterinnen?

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Gezielte Weiterbildungsangebote für Frauen haben sich bewährt. © www.lunghammer.at / Waldverband

Nicht die einzige sein
Paul Lang, Obmann des Waldverbandes Steiermark, stellte sich diese Frage mit Blick auf die Waldbesitzerinnen schon vor über zehn Jahren. Seine Initiative führte zum Projekt „Wald in Frauenhänden“. Dabei kristallisierte sich sehr schnell heraus, dass die meisten Frauen ungern Veranstaltungen besuchen, auf denen sie klar in der Minderheit sind („Ich bin immer die Einzige“). Das ist ein wichtiger Punkt, an dem Gleichstellungsmaßnahmen ansetzen können. Waldverband, Forstliche Ausbildungsstätte Pichl und Stakeholder konzipierten ein Weiterbildungsangebot ausschließlich für Frauen. Waldspaziergänge und Motorsägenkurse sind mittlerweile ein Fixpunkt im Kursprogramm und ein wichtiger Schritt für die Teilnehmerinnen, um nicht auf das Know-how und die Beratung anderer angewiesen zu sein.


Auf Basis der Erfahrungen mit „Wald in Frauenhänden“ wurde von 2020 bis 2022 ein internationales Projekt durchgeführt. Im Interreg-Danube-Transnational-Projekt „Fem 4Forest – Forests in Women´s Hands“ arbeiteten 14 Partner aus zehn Ländern des Donauraums zusammen an Maßnahmen, um verbesserte Chancen für Frauen in der Forstwirtschaft schaffen zu können. Umfragen und Interviews mit Waldbesitzerinnen und Mitarbeiterinnen aus der Forst- und Holzwirtschaft zeigten:

  • Frauen fühlen sich in der Forstwirtschaft unterschätzt und wenig repräsentiert.
  • Frauen bringen neue und andere Sichtweisen in die Forstwirtschaft ein, Multifunktionalität in der Waldbewirtschaftung ist Waldbesitzerinnen in hohem Ausmaß wichtig.
  • Waldbesitzerinnen schätzen ihr Fachwissen überwiegend als mittelmäßig bis schlecht ein.
  • Familiäre Betreuungspflichten, Rollenzuschreibungen und Stereotype und ein männlich geprägtes Arbeitsumfeld werden als größte Herausforderungen und Hindernisse angeführt.

Gleichzeitig zeigten die Umfrageergebnisse auf, wo erfolgversprechend angesetzt werden kann:

  • Das Interesse an Weiterbildungsmaßnahmen, sowohl im fachlichen als auch im persönlichkeitsbildenden Bereich, ist hoch.
  • Vernetzung, Mentoring und weibliche Vorbilder werden als sehr wichtig angesehen.

Auf Basis dieser Ergebnisse wurden Maßnahmen entwickelt, die einerseits Frauen dabei unterstützen sollen, erfolgreich in der Forstwirtschaft arbeiten zu können, aber auch Ansätze für Organisationen bieten, um Frauen besser und zum Nutzen aller einbinden zu können. An dieser Stelle darf darauf hingewiesen werden, dass von verbesserten Rahmenbedingungen im beruflichen Umfeld nicht nur Frauen profitieren, sondern alle Führungskräfte und Mitarbeiter*innen. Immerhin sind auch die Lebenswelten von Männern gerade jetzt einem erheblichen Wandel unterworfen.

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© www.lunghammer.at / Waldverband

Konkrete Massnahmen
Konkret wurde ein Maßnahmenbündel erarbeitet und in den Partnerländern in die Praxis implementiert:

  • Bewusstseinskampagne, um auf die Thematik der Geschlechtergerechtigkeit in der Forstwirtschaft aufmerksam zu machen, ihre Bedeutung zu erklären, Fakten zu vermitteln und die damit verbundenen Chancen für Institutionen und Organisationen aufzuzeigen
  • Trainingsprogramm für Frauen zur Einschätzung, Stärkung und Weiterentwicklung ihrer persönlichen Fähigkeiten und Kompetenzen 
  • Mentoring-Programm zur Unterstützung von Waldbesitzerinnen und Arbeitnehmerinnen
  • Waldbegehungen und Kurse für Frauen zur fachlichen Weiterentwicklung, für Vernetzung und Erfahrungsaustausch
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© www.lunghammer.at / Waldverband

Optimistisch in die Zukunft
Abschließend wurden alle Aktivitäten evaluiert, ihre Erfolgsfaktoren und mögliche Verbesserungen herausgearbeitet und auf nationaler und internationaler Ebene zusammengefasst. Die Ergebnisse waren ebenso positiv wie zukunftsweisend:

  • Die Branche ist für das Thema durchaus offen. Dabei ist es wichtig, die Thematik zu aufzubereiten, und die Sinnhaftigkeit des Anliegens, Frauen verstärkt in die Forstwirtschaft zu integrieren, muss klar erkennbar sein.
  • Sichtbarkeit und Vorbildwirkung sind essenziell – Frauen in der Forstwirtschaft und ihre Leistungen müssen vor den Vorhang geholt werden. Sie bereiten den Weg heraus aus dem Sonderstatus, hinein in die Normalität und nehmen anderen Frauen eine mögliche Scheu vor dem „Besonders-Sein“.
  • Kurse und Seminare für Frauen, sowohl im fachlichen als auch im persönlichkeitsbildenden Bereich, werden sehr gut angenommen, vor allem, wenn sie deren Bedürfnisse und Rahmenbedingungen im Hinblick auf Ort und Setting berücksichtigen.
  • Möglichkeiten zum Austausch und zur gegenseitigen Unterstützung werden von Frauen als enorm wichtig angesehen. Ob in Form von Mentoring, bei Weiterbildungen oder in Netzwerken – das Gefühl, nicht allein zu sein, Erfahrungen untereinander zu teilen und einander weiterzuhelfen, stärkt enorm.

Gerade aus dem letzten Punkt ergeben sich unzählige Möglichkeiten – eine davon wurde recht unerwartet, aber umso rascher realisiert. Bereits seit 2003 gibt es in Österreich den Verein „Forstfrauen“. Im Zuge von Fem 4Forest zeigte sich, dass in verschiedenen Ländern ähnliche Netzwerke existieren. Um diese Kontakte über die Projektdauer hinaus zu erhalten und weiter zu intensivieren, wurde beschlossen, einen internationalen Dachverband zu gründen. Wer in Österreich in Gremien und Verbänden tätig ist, weiß, welches Gewicht mitunter auf dahinterstehende Partikularinteressen und Befindlichkeiten gelegt wird. Ganz anders hier: Pragmatisch und zielorientiert wurden gemeinsame Interessen skizziert, ein organisatorischer Rahmen definiert, Statuten formuliert und eingereicht. Im November 2022 registrierten sechs Gründungsmitglieder aus Deutschland, Island, Österreich, Polen, Slowenien und der Ukraine den internationalen Dachverband Women in Forestry International (WOFO) mit Vereinssitz an der FAST Pichl in St. Barbara im Mürztal. WOFO verbindet Frauen in der Forst- und Holzwirtschaft über Grenzen hinweg, ist Ansprechpartner für Politik, Medien und Unternehmen und unterstützt Forschung und Projekte zu Frauen im Forstbereich.

Für Österreich ist es gelungen, die Maßnahmen und Aktivitäten aus Fem 4Forest mit Unterstützung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Wasserwirtschaft und Regionen in den nächsten Jahren in Österreich fortzuführen. Die beiden Projekte „Wald in Frauenhänden: Starke Frauen – starke Regionen“ (Projektträger: FAST Pichl) und „Mentoring für Frauen in der Forst- und Holzwirtschaft“ (Projektträger: Universität für Bodenkultur) sollen sowohl Frauen als auch Arbeitgeber*innen und damit die gesamte Forstwirtschaft stärken.

Mentor*innen und Mentees für „Mentoring für Frauen in der Forst- und Holzwirtschaft“ können sich aktuell bewerben – Kontakt: frauenmentoring@boku.ac.at

Wer sich für eine Umsetzung der oben vorgestellten Maßnahmen im eigenen Wirkungsbereich  (Organisation, Unternehmen, Region) interessiert, ist herzlich eingeladen, sich bei der Autorin zu melden!
Nähere Informationen unter:
www.fastpichl.at
www.forstfrauen.at

oder bei Dagmar Karisch-Gierer (dagmar.karisch-gierer@lk-stmk.at)